Gesetzgebung: Reallabor zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 11.6.2024 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit veröffentlicht. Damit soll vom Bund zum ersten Mal ein Reallabor für die Justiz geschaffen werden.

Hierzu führt das BMJ u.a. weiter aus:

Rechtsuchenden soll es ermöglicht werden, Zahlungsansprüche mit geringerem Streitwert in einem einfachen, nutzerfreundlichen und digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Gleichzeitig soll durch die strukturierte Erfassung des Prozessstoffs und den Einsatz digitaler Unterstützungswerkzeuge auch die Arbeit an den Gerichten noch effizienter gestaltet werden können.

Mit dem vom Entwurf genutzten Instrument des sog. Reallabors werden Testräume geschaffen, um innovative Technologien zeitlich befristet und unter realen Bedingungen zu erproben. Ziel ist es, Erkenntnisse für eine dauerhafte Regulierung zu gewinnen.

Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die ZPO um ein weiteres Buch ergänzt. Mit dem dann 12. Buch der ZPO wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden.

Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie nach acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.

Der Entwurf sieht u.a. folgende Rahmenbedingungen vor:

  • Eröffnung des Online-Verfahrens durch eine Klageerhebung mittels digitaler Eingabesysteme: Rechtsuchende sollen bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt werden. Mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) wird auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen.
  • Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung einer Geldsumme (nach der aktuellen Streitwertgrenze bis 5.000 EUR) gerichtet sind, sollen erfasst werden.
  • Öffnungsklauseln im Verfahrensrecht der ZPO zur verstärkten Nutzung digitaler Kommunikationstechnik: Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen modifiziert und ergänzt werden, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren.
  • Digitale Unterstützung: In sog. Massenverfahren (z.B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen Eingabesysteme und technische Standards die Justiz dabei unterstützen, Dokumente und Akten zu strukturieren und ressourcenschonend zu bearbeiten.
  • Erleichterung der Urteilsverkündung und Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen.
  • Bundeseinheitliche Erprobung einer Kommunikationsplattform: Die rechtliche Grundlage für eine neue Form der Justizkommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten soll geschaffen werden. Anträge und Erklärungen können unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden. Dabei soll auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z.B. bei Vergleichsabsprachen) und die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden.
  • Das Online-Verfahren soll barrierefrei, nutzerfreundlich und bundeseinheitlich über ein Bund-Länder-Justizportal für Onlinedienstleistungen zugänglich sein und die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden.

Hinweis:

Der Entwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12.07.2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.

Hochwasser: u.a. steuerliche Maßnahmen für Betroffene in Bayern

Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat hat am 4.6.2024einen Unwettererlass mit steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung von Schäden in Bayern durch das Unwetter von Ende Mai bis Anfang Juni 2024 veröffentlicht.

Der Unwettererlass ist nahezu inhaltsgleich mit dem des Landes Baden-Württemberg und enthält u.a. Maßnahmen zur Stundung, zum Vollstreckungsaufschub, zur Anpassung von Vorauszahlungen sowie Erleichterungen beim Spendennachweis.

Hinweis:

Der Erlass ist auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen veröffentlicht. Dort finden Sie auch Informationen zur Einleitung der Sofort- und Finanzhilfeaktion des Landes Bayern.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen online (il)

Veröffentlichung der Taxonomien 6.8 vom 1.4.2024

Das BMF hat das aktualisierte Datenschema der Taxonomien (Version 6.8) als amtlich vorgeschriebener Datensatz nach § 5b EStGveröffentlicht (BMF, Schreiben v. 27.5.2024 – IV C 6 – S 2133-b/24/10001 :002).

Hinweise:

Die aktualisierten Taxonomien (Kern-, Ergänzungs- und Spezialtaxonomien) stehen (in Kürze) unter www.esteuer.dezur Ansicht und zum Abruf bereit.

Die Taxonomien sind grundsätzlich für die Bilanzen der Wirtschaftsjahre zu verwenden, die nach dem 31.12.2024beginnen (Wirtschaftsjahr 2025 oder 2025/2026). Sie gelten entsprechend für die in Rn. 1 des BMF-Schreibens vom 28.9.2011 genannten Bilanzen sowie für Eröffnungsbilanzen, sofern diese nach dem 31.12.2024 aufzustellen sind. Es wird nicht beanstandet, wenn diese auch für das Wirtschaftsjahr 2024 oder 2024/2025 verwendet werden.

Die Übermittlungsmöglichkeit mit diesen neuen Taxonomien wird für Testfälle voraussichtlich ab November 2024 und für Echtfälle ab Mai 2025 gegeben sein.

Der Volltext des BMF-Schreibens mit weiteren Informationen ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Kindergeld: Neue Dienstanweisung erlassen

Das BZSt hat eine neue Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG (DA-KG) mit Stand 2024 erlassen (BZSt v. 30.4.2024 – St II 2 – S 2280-DA/23/00001).

Hierzu führt das BZSt u.a. weiter aus:

  • Die DA-KG Stand 2024 regelt die Anwendung der seit dem 1.1.2024geltenden und für die Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG relevanten Vorschriften.
  • Die Änderungen berücksichtigen den ausgewählten aktuellen Stand der im Bundessteuerblatt bis zum 31.12.2023veröffentlichten höchstrichterlichen Rechtsprechung, BMF-Schreiben und Weisungen des BZSt.
  • Die DA-KG 2024 ist in allen noch nicht bestandskräftig festgesetzten Kindergeldfällen anzuwenden, soweit die zeitliche Anwendbarkeit nicht beispielsweise durch Gesetz oder innerhalb der Dienstanweisung selbst ausdrücklich eingeschränkt wird.

Referentenentwurf eines Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetzes

Das BMF hat am 10.6.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung von Mitteln des Restrukturierungsfonds auf den Finanzmarktstabilisierungsfonds (Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetz – RStruktFÜG) veröffentlicht. Geplant ist, die Altmittel des Restrukturierungsfonds (RSF) auf den Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) zur teilweisen Tilgung des dort aufgelaufenen Fehlbetrags zu übertragen. Darüber hinaus soll das steuerliche Betriebsausgabenabzugsverbot für etwaige ab 2024 festzusetzende Bankenabgaben aufgehoben werden.

Grundsteuerwertfeststellung im sog. Bundesmodell

Die Bewertungs­vor­schrif­ten der §§ 218 ff. BewG i.d.F. des Grund­steuer-Reform­gesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) sind bei der im Aus­setzungs­ver­fahren gemäß § 69 Abs. 3 FGO gebo­tenen summa­rischen Prüfung verfas­sungs­konform dahin auszu­legen, dass auf der Ebene der Grund­steuer­wert­fest­stellung im Einzel­fall der Nach­weis eines niedrige­ren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür ist regel­mäßig der Nachweis erforder­lich, dass der Wert der wirt­schaft­lichen Einheit den fest­gestell­ten Grund­steuer­wert derart unter­schreitet, dass sich der fest­gestellte Wert als erheb­lich über das normale Maß hinaus­gehend erweist (BFH, Beschluss v. 27.05.2024 – II B 78/23 (AdV); veröf­fent­licht am 13.06.2024).

Behandlung von Zuschüssen – Bedeutung des mit Zahlungen verbundenen Zwecks

Das BMF hat zur Abgrenzung zwischen einem Entgelt für eine Leistung an den Zuschussgeber (Zahlenden) und einem nicht steuerbaren „echten“ Zuschuss bezüglich der Bedeutung des mit der Zahlung verbundenen Zweckes Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 11.6.2024 – III C 2 – S 7200/19/10001 :028).

Danach ist die Abgrenzung zwischen einem Entgelt für eine Leistung an den Zahlenden und einem nicht steuerbaren echten Zuschuss vor allem nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorzunehmen.

Dementsprechend ist bei Zuschüssen entscheidend, ob dem Zuschussgeber eine bestimmte Leistung zugewendet werden soll oder ob vielmehr die Tätigkeit des Zuwendungsempfängers nicht für den Zahlenden als Leistungsempfänger bestimmt ist, wobei als Indiz u. a. der vom Zahlenden verfolgte Zweck dient, vgl. BFH, Urteil v. 18.11.2021 – V R 17/20, BStBl II 2024 S. XXX, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.3.2022).

Hinweis:

Das BMF hat den UStAE in Abschnitt 10.2 geändert und um entsprechende Beispiele ergänzt.

Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

BFH legt EuGH Frage vor: umsatzsteuerliches Aufteilungsgebot

Das deutsche Umsatzsteuergesetz kennt mehrere Aufteilungsgebote für Umsätze, bei denen ein Teil einem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Beispielsweise unterliegt die Vermietung von Hotel- und Fremdenzimmern sowie Campingflächen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG gilt dies nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn sie mit dem Vermietungsentgelt pauschal abgegolten sind. In drei vom BFH zu entscheidenden Fällen (XI R 11/23, XI R 13/23 und XI R 14/23) betrifft dies im Pauschalpreis für die Übernachtung inkludierte Leistungen wie etwa Frühstück und die Nutzung von Parkplätzen, W-LAN oder des Spa-Bereichs. Diese konnten nicht einzeln zu- oder abgewählt werden und wurden auch nicht gesondert im Rahmen der Rechnungstellung ausgewiesen.

Um Gewissheit über die Unionsrechtskonformität der bisherigen Umsatzsteuerpraxis herzustellen, hat der BFH alle drei Fälle dem EuGH mit der Frage vorgelegt, ob ein Aufteilungsgebot wie in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG im Einklang mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie steht.

Die Frage stellt sich, da der EuGH in der Rechtssache Stadion Amsterdam (EuGH-Urteil v. 18.01.2018, C-463/16) entschieden hat, dass eine einheitliche Leistung nicht künstlich in zwei umsatzsteuerlich unterschiedliche Leistungen getrennt werden kann. Jüngst hatten zudem der EuGH (Urteil vom 04.05.2023, C-516/21) und ihm folgend der BFH (Beschluss vom 17.08.2023, V R 7/23) entschieden, dass eine Steuerbefreiung für mitvermietete Vorrichtungen und Maschinen infrage kommt, wenn diese eine wirtschaftlich einheitliche Leistung mit der steuerbefreiten Grundstücksvermietung (Hauptleistung) bilden

Besteuerung der öffentlichen Hand

Das BMF hat ausführlich zum Vorsteuerabzug bei unternehmerisch tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 12.6.2024 – III C 2 – S 7300/22/10001 :001).

Hintergrund: Durch Artikel 12 des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2.11,2015 (BGBl. I S. 1834) wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) neu gefasst. § 2 Abs. 3 UStG wurde aufgehoben und § 2b neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Die Änderungen traten am 1.1.2017 in Kraft. Die Neuregelung wird von einer Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG begleitet, auf deren Grundlage eine jPöR dem Finanzamt gegenüber erklären konnte, das bis zum 1.1.2017 geltende Recht für sämtliche vor dem 1.1.2021ausgeführte Leistungen weiterhin anzuwenden. Durch Artikel 1 des Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1385) wurde die Übergangsregelung um § 27 Abs. 22a UStG ergänzt, so dass diese Erklärung auch für sämtliche Leistungen gilt, die nach dem31.12.2020 und vor dem 1.1.2023 ausgeführt wurden, es sei denn, diese Erklärung ist widerrufen worden. Durch Artikel 16 des Jahressteuergesetzes 2022 vom 16.12.2022(BGBl. I S. 2294) wurde die optionale Übergangsfrist zur Anwendung des § 2b UStG um weitere zwei Jahre bis zum 31.12.2024verlängert.

In Folge der Neuregelung gelten jPöR, die den allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG erfüllen, nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG). Dies setzt voraus, dass eine Behandlung der jPöR als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG). Diese sich in § 2b UStG widerspiegelnde besondere Aufgaben- und Tätigkeitsstruktur der jPöR als umsatzsteuerlicher Unternehmer mit einer i.d.R. umfangreichen nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne (i.e.S.) macht besondere Regelungen beim Vorsteuerabzug erforderlich.

In seinem Schreiben geht das BMF auf die folgenden Punkte näher ein:

  • Zuordnung von Eingangsleistungen zum Unternehmen und Vorsteuerabzug
  • Besondere Regelungen zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei jPöR
    • Einnahmeschlüssel für teilunternehmerisch verwendete Leistungsbezüge
    • Regelungen für Grundstücke
    • Pauschaler Vorsteuersatz für jPöR mit einem geringen unternehmerischen Bereich
  • Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder
    • Zentrale Beschaffung
    • Alternative Vorsteueraufteilung für teilunternehmerische Leistungsbezüge nach Haushaltsansätzen

Hinweis:

Die Grundsätze des BMF-Schreibens gelten erstmals für Besteuerungszeiträume unter Geltung von § 2b UStG, die nicht der Erklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG unterliegen.

Gewerbesteuer: Verfassungsmäßigkeit

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 36 Abs. 4 GewStGi.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) auch insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GGverstößt, als er § 8 Nr. 5 GewStG i.d.F. dieses Gesetzes auf Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12.12.2001 verbindlich beschlossen wurden und die der direkt oder mittelbar über ein inländisches Wertpapier-Sondervermögen mit weniger als 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind (BFH, Beschluss v. 7.2. 2024 – I R 36/23 (I R 5/18); veröffentlicht am13.6.2024).