DSGVO: Geldbuße bei Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung

Der EuGH hat die Voraussetzungen präzisiert, unter denen die nationalen Aufsichtsbehörden eine Geldbuße gegen einen oder mehrere für die Datenverarbeitung Verantwortliche wegen Verstoßes gegen die DSGVO verhängen können (EuGH, Urteile v. 05.12.2023 – C-683/21 „Nacionalinis visuomenės sveikatos centras“ und C-807/21 „Deutsche Wohnen“).

Widerruf der Gestattung der Ist-Besteuerung wegen Missbrauchs

Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland (BFH, Urteil v. 12.07.2023 – XI R 5/21; veröffentlicht am 07.12.2023).

Bewertung: Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 01.01.2024

Das BMF hat die Vervielfältiger bekannt gegeben, mit denen der Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen nach § 14 Abs. 1 BewG für Stichtage ab 01.01.2024 berechnet wird (BMF, Schreiben v. 01.12.2023 – IV D 4 – S 3104/19/10001 :009).

 

Hinweis:

Das Schreiben mit der Anlage zu § 14 Absatz 1 BewG ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Rente: Wichtige Änderungen in der Rentenversicherung zum 01.01.2024

Zum Jahresbeginn 2024 ergeben sich in der Rentenversicherung verschiedene Änderungen. Darauf weist die Deutsche Rentenversicherung hin.

Beitragssatz bleibt stabil

Keine Änderung gibt es beim Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser bleibt auch im kommenden Jahr stabil und beträgt weiterhin 18,6 %.

Reguläre Altersgrenze steigt auf 66 Jahre

Auf 66 Jahre steigt zu Beginn des nächsten Jahres die reguläre Altersgrenze. Dies gilt für Versicherte, die 1958 geboren wurden. Für diejenigen, die später geboren wurden, erhöht sich das Eintrittsalter in 2-Monats-Schritten weiter. 2031 ist dann die reguläre Altersgrenze von 67 Jahren erreicht.

Altersgrenze für „Rente ab 63“ steigt

Bei der als „Rente ab 63“ bezeichneten Altersrente für besonders langjährig Versicherte steigt die Altersgrenze für 1960 Geborene auf 64 Jahre und 4 Monate. Für später Geborene erhöht sich das Eintrittsalter weiter, bis 2029 die dann gültige Altersgrenze von 65 Jahren erreicht sein wird. Die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte kann in Anspruch nehmen, wer mindestens 45 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war. Eine vorzeitige Inanspruchnahme, auch mit Abschlägen, ist für diese Rentenart nicht möglich.

Abschlag bei neuen „Renten für langjährig Versicherte“ steigt weiter

Wer mindestens 35 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, kann ab einem Alter von 63 Jahren die Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen. Die Altersrente ist mit einem Abschlag verbunden. Dieser beträgt 0,3 % je Monat, den die Rente vor Erreichen des regulären Rentenalters in Anspruch genommen wird. Da das reguläre Rentenalter bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre steigt, steigt auch der Abschlag bei frühestmöglicher Inanspruchnahme dieser Rente. Für Versicherte des Jahrgangs 1961, die im kommenden Jahr 63 werden, liegt das reguläre Rentenalter bei 66 Jahren und 6 Monaten; bei einem frühstmöglichen Rentenbeginn mit 63 Jahren beträgt der Abschlag 12,6 %. Für Versicherte des Jahrgangs 1960 lag der Abschlag noch bei maximal 12,0 %.

Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Erwerbsminderung steigen

Die Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit steigen 2024. Beim Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ergibt sich ab Januar eine jährliche Mindesthinzuverdienstgrenze von 37.117,50 €, bei Renten wegen voller Erwerbsminderung sind es 18.558,75 €.

Verbesserte Absicherung bei Erwerbsminderung

Die Höhe einer Erwerbsminderungsrente berechnet sich aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten. Zusätzlich werden erwerbsgeminderte Menschen durch die sog. Zurechnungszeit so gestellt, als hätten sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen weitergearbeitet und Beiträge gezahlt. Dadurch erhalten sie eine höhere Rente. Seit 2019 wird der Umfang der Zurechnungszeit an das reguläre Rentenalter angepasst. Dieses steigt bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre. Bei einem Rentenbeginn im kommenden Jahr endet die Zurechnungszeit daher statt mit 66 Jahren mit 66 Jahren und 1 Monat.

Beitragsbemessungsgrenzen und Bezugsgrößen steigen

Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung steigt 2024 in den alten Bundesländern von monatlich 7.300 € auf 7.550 € und in den neuen Bundesländern von monatlich 7.100 € auf 7.450 €. Sie bestimmt den Höchstbetrag, bis zu dem Arbeitseinkommen bei der Berechnung des Rentenversicherungsbeitrags berücksichtigt wird. Für darüberhinausgehendes Einkommen werden keine Beiträge gezahlt.

Die Bezugsgröße steigt 2024 in den alten Bundesländern von 3.395 € auf 3.535 € im Monat. Die Bezugsgröße (Ost) steigt in den neuen Bundesländern von 3.290 € auf 3.465 € im Monat. Sie hat unter anderem für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbstständigen in der Rentenversicherung eine Bedeutung.

2024 wird das letzte Jahr mit unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen und Bezugsgrößen für die alten und die neuen Bundesländer sein. Ab 2025 gelten eine einheitliche Beitragsbemessungsgrenze und eine einheitliche Bezugsgröße in West- und Ostdeutschland.

Freiwillige Versicherung: Mindest- und Höchstbeitrag steigen

Der monatliche Mindestbeitrag für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung steigt ab 1.1.2024 von 96,72 € auf 100,07 €. Der Höchstbetrag steigt von 1.357,80 € auf 1.404,30 € im Monat. Freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können alle Menschen zahlen, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, mindestens 16 Jahre alt sind und in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht pflichtversichert sind. Unter den genannten Voraussetzungen ist die Zahlung freiwilliger Beiträge für Deutsche mit Wohnsitz im Ausland ebenfalls möglich. Ausgeschlossen von der freiwilligen Versicherung sind Personen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben und eine volle Altersrente beziehen. Für die freiwillige Versicherung gelten in den alten und neuen Bundesländern keine Unterschiede.

Minijob-Grenze steigt von 520 € auf 538 €

Die monatliche Verdienstgrenze im Minijob – auch Minijob-Grenze genannt – steigt 2024 von 520 € auf 538 €. Sie ist dynamisch und orientiert sich am Mindestlohn. Da sich der Mindestlohn im kommenden Jahr von 12 € auf 12,41 € erhöht, steigt auch die Minijob-Grenze.

Midijob: Untergrenze für Beschäftigungen im Übergangsbereich steigt

Die Untergrenze für Verdienste aus Beschäftigungen im sog. Übergangsbereich steigt im kommenden Jahr von monatlich 520,01 € auf 538,01 €. Die Obergrenze bleibt unverändert bei 2.000 € im Monat. Beschäftigte, die regelmäßig zwischen 538 € und 2.000 € verdienen, gelten als Midijobber. Bei einem Verdienst innerhalb dieses Übergangsbereichs zahlen sie einen reduzierten Beitragsanteil zur Sozialversicherung, der bis zum Erreichen der Obergrenze von 2.000 € steigt und erst dann der vollen Beitragshöhe entspricht. Die Rentenansprüche vermindern sich durch den reduzierten Beitragsanteil nicht. Sie werden auf Basis des vollen Verdienstes berechnet.

Höherer Steueranteil für Neurentner

Wer 2024 neu in den Ruhestand geht, muss einen höheren Anteil seiner Rente versteuern. Ab Januar 2024 steigt der steuerpflichtige Rentenanteil von 83 auf 84 %. Somit bleiben 16 % der ersten vollen Bruttojahresrente steuerfrei. Bestandsrenten sind hiervon nicht betroffen. Der Gesetzgeber beabsichtigt, den steuerpflichtigen Rentenanteil rückwirkend ab 2023 nur noch in Schritten von jeweils einem halben Prozentpunkt zu erhöhen. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren ist derzeit allerdings noch nicht abgeschlossen.

Mit Wohn-Riester die Heizung sanieren

Am 01.01.2024 tritt das „Heizungsgesetz“ (Gebäudeenergiegesetz) in Kraft. Besitzer einer selbst genutzten Wohnimmobilie haben dann die Möglichkeit, Guthaben aus Riester-Verträgen („Wohn-Riester“) für den Einbau einer Wärmepumpe zu nutzen. Anträge auf Nutzung eines Riester-Guthabens können ab dem 01.01.2024 bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt werden.

Kapitalerträge: Bearbeitungszeiten bei Erstattungen von der Steuer auf deutsche Kapitalerträge

Die Bearbeitungszeiten von Anträgen im Bereich der Erstattung von der Steuer auf deutsche Kapitalerträge kann aktuell über 20 Monate betragen. Hierauf macht das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) aktuell aufmerksam.

Das BZSt führt hierzu weiterhin aus:

  • Grund hierfür sind vor allem erheblich und stetig gestiegene Antragseingänge in den letzten Jahren.
  • Im Fachbereich wurden und werden jedoch vielfältige organisatorische und IT-seitige Maßnahmen ergriffen, um die Bearbeitungsdauern mittel- und langfristig nachhaltig zu verkürzen und die aktuell noch bestehenden Arbeitsrückstände abzubauen.
  • Wegen der entsprechend hohen Belastung im Arbeitsbereich wird darum gebeten, nach Möglichkeit von Sachstandsanfragen abzusehen. Falls zur Prüfung Ihres Antrags weitere Unterlagen erforderlich werden sollten, kommen wir auf Sie zu.

Umrechnungskurse November 2023

Das BMF hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse November 2023 bekannt gegeben (BMF, Schreiben v. 01.12.2023 – III C 3 – S 7329/19/10001 :005 (2023/1129530)).

Die monatlich fortgeschriebene Übersicht der Umsatzsteuer-Umrechnungskurse 2023 ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Widerspruch gegen eine Gutschrift

Hat ein Unternehmer auf die Steuerfreiheit eines Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hat, kann er den darin liegenden Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem übernehmenden Rechtsträger als Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt (BFH, Urteil v. 12.07.2023 – XI R 41/20; veröffentlicht am 07.12.2023).

Einzelfragen bei der Anwendung des Nullsteuersatzes bei Photovoltaikanlagen

Das BMF hat zu Einzelfragen bei der Anwendung des Nullsteuersatzes für bestimmte Photovoltaikanlagen (§ 12 Absatz 3 UStG) Stellung genommen und den UStAE angepasst (BMF, Schreiben v. 30.11.2023 – III C 2 – S 7220/22/10002 :013).

Hintergrund: Mit Schreiben v. 27.02.2023 – III C 2 -S 7220/22/10002 :010 (2023/0197236 hatte das BMF zur Anwendung des Nullsteuersatzes für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen Stellung genommen. Nun folgt ein ergänzendes Schreiben.

Danach wird das BMF-Schreiben v. 27.02.2023 – III C 2 -S 7220/22/10002 :010 (2023/0197236), BStBl I S. 351 wie folgt ergänzt:

  • Die Entnahme einer Photovoltaikanlage unter Anwendung der Vereinfachungsregelung der 2 Rn. 5 des BMF-Schreibens vom 27.02.2023 stellt ein Wahlrecht des Unternehmers dar. Die Ausübung dieses Wahlrechts ist vom Unternehmer zu dokumentieren. Dies kann z.B. durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt erfolgen.
  • Die Voraussetzungen für die im BMF-Schreiben vom 27.02.2023, BStBl I S. 351, unter Rn. 5 getroffene Vereinfachungsregelung für einen Nachweis der Verwendung des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke kann auch durch die nicht nur gelegentliche Ladung des Stroms in ein E-Fahrzeug, das nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, oder den Betrieb einer Wärmepumpe, die nicht dem Unternehmen zugeordnet worden ist, erfüllt werden.
  • Die Entnahme einer Photovoltaikanlage kann grundsätzlich nur zum aktuellen Zeitpunkt (nicht rückwirkend) erfolgen. Im Hinblick auf bislang ungeklärte Rechtsfragen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen kann eine bis zum 11.01.2024 gegenüber dem Finanzamt erklärte Entnahme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG jedoch ausnahmsweise auch rückwirkend zum 01.01.2023 erfolgen.
  • Ein Vorsteuerabzug aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die für eine entnommene Photovoltaikanlage bezogen worden sind, ist nur in Höhe der unternehmerischen Nutzung und unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG möglich (vgl. auch Abschnitt 15.2c Abs. 3 Satz 2 UStAE).
  • Bei gleichzeitiger Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag liegt eine Sachgesamtheit i. S. v. Abschnitt 3.1 Absatz 1 UStAE vor. Die Gesamtanlage stellt das Zuordnungsobjekt i.S.v. Abschnitt 15.2c UStAE dar. Sofern die übrigen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind, ist für die Gesamtanlage der Nullsteuersatz anzuwenden.
  • Ein Steuerpflichtiger, der vor dem 01.01.2023 eine Photovoltaikanlage angeschafft und wirksam zur Regelbesteuerung optiert hat, unterliegt auch dann weiterhin der 5-jährigen Bindungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn er die Photovoltaikanlage aus dem Unternehmen entnommen hat. Ein vorzeitiger Wechsel in die Kleinunternehmerregelung ist nicht möglich. Die Einspeisevergütung unterliegt weiterhin der Umsatzsteuer.
  • Ein etwaiger Wechsel in die Kleinunternehmerregelung stellt nur dann eine Änderung der 3 Verhältnisse nach § 15a Abs. 7 UStG gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug dar, wenn sich die Photovoltaikanlage noch im Unternehmen befindet. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 7 UStG liegt bereits dann nicht mehr vor, wenn die Entnahme der Anlage nur eine juristische Sekunde vor dem Wechsel in die Kleinunternehmerschaft erfolgt.

Grundsteuer: Eilanträge gegen Grundstücksbewertung nach dem neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht

Das FG Rheinland-Pfalz hat in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu den Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass die Vollziehung der dort angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist (FG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse v. 23.11.2023 – 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23).
Hintergrund: Nach den Regelungen des Bewertungsgesetzes im sog. Bundesmodell der Grundsteuer, das in Rheinland-Pfalz und zehn weiteren Bundesländern Anwendung findet, wird die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 von den Gemeinden erhoben werden wird, ganz wesentlich durch die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 vorbestimmt. Diese Feststellung erfolgt durch eigenständige, sog. Grundlagenbescheide des Finanzamts, sodass Einwände gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage der künftig erhobenen Grundsteuer insofern nur gegen diese Grundsteuerwertbescheide vorgebracht werden können.
Sachverhalt: Dem ersten Streitfall lag eine Grundsteuerwertfeststellung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 Quadratmetern zugrunde. Nach dem Vortrag der Antragstellerin sei das Haus im Jahr 1880 errichtet, seit Jahrzehnten unrenoviert und noch mit einer Einfachverglasung der Fenster versehen. Daher sei der gesetzlich normierte Mietwert pro Quadratmeter überhöht. Der Bodenrichtwert für das 351 Quadratmeter große Grundstück war durch den zuständigen Gutachterausschuss mit 125 € pro Quadratmeter ermittelt worden. Das Finanzamt wandte dennoch den gesetzlich normierten Mietwert an und stellte den Grundsteuerwert für die gesamte Immobilie zum Stichtag 01.01.2022 auf 91.600 € fest.
Der zweite Streitfall betraf eine Grundsteuerwertfeststellung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 178 Quadratmetern, das im Jahr 1977 bezugsfertig errichtet wurde. Der Bodenrichtwert für das 1.053 Quadratmeter große Grundstück war durch den zuständigen Gutachterausschuss mit 300 € pro Quadratmeter ermittelt worden. Nach dem Vortrag der Antragsteller könne dieser Bodenwert jedoch nur mit einem Abschlag von 30% angewandt werden, weil ihr Grundstück aufgrund einer Bebauung in zweiter Reihe, der Grundstückserschließung nur durch einen Privatweg und wegen einer besonderen Hanglage nur eingeschränkt nutzbar sei. Das Finanzamt berücksichtigte den Bodenrichtwert gleichwohl ohne Abschlag und stellte den Grundsteuerwert für die gesamte Immobilie zum Stichtag 01.01.2022 auf 318.800 € fest.
Das FG setzte mit den beiden Eilbeschlüssen die Vollziehung des gegenüber den Antragstellern ergangenen jeweiligen Grundsteuerwertbescheids aus:

  • Nach summarischer Prüfung bestehen ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln.
  • Die einfachrechtlichen Zweifel des FG betreffen vor allem Zweifel daran, dass die entscheidend in die Bewertung eingeflossenen Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen sind. Hierbei hat der Senat zum einen ernstliche Bedenken bezüglich der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse geäußert, weil nach der rheinland-pfälzischen Gutachterausschussverordnung Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden können.
  • Hinzu treten ernstliche Bedenken bezüglich der für die Ermittlung der Bodenrichtwerte notwendigen Datengrundlage, weil in den zur Ableitung der Bodenrichtwerte geführten Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse in erheblichem Umfang Datenlücken zu befürchten sind, die zu erheblichen Verzerrungen bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte führen können.
  • Zudem ist es geboten, dass Steuerpflichtige – im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen – die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen zu können. Dies leitet das FG aus einer verfassungskonformen Auslegung des Bewertungsrechts ab, da anderenfalls aufgrund der nahezu vollständig typisierten Besteuerung erhebliche Härten entstehen können. Für einen derartigen Nachweis besteht nach der Auslegung des FG auch keine förmliche Verpflichtung, dass dieser nur durch ein förmliches Sachverständigengutachten erbracht werden kann. In diesem Zusammenhang erkannte das FG für beide entschiedenen Streitfälle, dass dort jeweils wegen der einzelfallbezogenen Besonderheiten ein niedrigerer Wert anzusetzen sein kann.
  • Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen hatte das FG im Hinblick auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, der für das Bewertungsrecht ein Gebot der realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung begründet. So ist bereits nicht eindeutig, was der genaue Belastungsgrund der Grundsteuer sein soll und wie daher überprüft werden kann, ob die durch das Bewertungssystem erreichten Bewertungsergebnisse „relationsgereicht“ sind, also tatsächlich bestehende Wertunterschiede angemessen abbilden können.
  • Zudem hatte das FG ernstliche Zweifel daran, dass die Regelungen des BewG überhaupt geeignet sind, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen. So führt insbesondere die große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen und eine nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke dazu, dass es zu Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung kommen kann.
  • Die gewählte Regelungstechnik bewirkt eine gleichheitswidrige Nivellierung der Grundstücksbewertung mit systematischen Unterbewertungen hochwertiger Immobilien und systematischen Überbewertungen für solche Immobilien, die sich in weniger begehrten Lagen bzw. in schlechterem baulichen Zustand befinden oder deren Ausstattungsmerkmale weniger hochwertig sind. Die Regelungen führen zudem in erheblichem Umfang zu Wertverschiebungen, sodass insgesamt nicht mehr von einer gleichheitsgerechten Bewertung ausgegangen werden kann.
  • Außerdem erkannte das FG ein gleichheitswidriges Vollzugsdefizit bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte, weil diese Werte häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt werden, ohne dass den Gutachterausschüssen effektive Instrumente zur Sachverhaltsermittlung sowie zur Verifikation der Angaben von Grundstückseigentümern zur Verfügung stehen.

Hinweise:

In verfahrensrechtlicher Hinsicht stärkt das FG die gerichtlichen Rechtschutzmöglichkeiten für Steuerpflichtige, indem es – entgegen der Auffassung des Finanzamts, das für den Rechtschutz bezüglich der Bodenrichtwerte die Verwaltungsgerichte als zuständig ansah – von einer umfassenden Eröffnung des Finanzrechtswegs ausgeht. Dies vermeidet für Steuerpflichtige eine zweifache Rechtsverfolgung in verschiedenen Gerichtszweigen.
Die Entscheidungen des FG betreffen zwei Einzelfälle, über die zudem erst im einstweiligen Rechtsschutz entschieden wurde. Die Aussetzung der Vollziehung der ergangenen Grundsteuerwertbescheide hat zwar zur Folge, dass auch die Vollziehung der in den Streitfällen künftig auf den 01.01.2025 zu erlassenden Grundsteuerbescheide von Gesetzes wegen ausgesetzt wird. Damit ist jedoch noch keine Aufhebung der angegriffenen Bescheide und erst Recht nicht eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln verbunden.
Das FG hat insbesondere wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen die Beschwerde zum BFH zugelassen.

Anwendung des KapErhStG auf Genossenschaftsanteile

Die Kündigung des Geschäftsguthabens an einer Genossenschaft nach § 65 GenG ist als Veräußerungstatbestand i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit Abs. 7 EStG zu werten (BFH, Urteil v. 26.09.2023 – IX R 19/21; veröffentlicht am 07.12.2023).