Aufklärungspflicht über eine einmal im Leben gewährte Steuerermäßigung

Ein Steuerberater hat seinen Mandanten über die Einmaligkeit einer Steuerermäßigung aufzuklären, auch wenn die Ermäßigung nicht beantragt worden war (Landgericht Lübeck, Urteil v. 11.01.2024 – 15 O 72/23; nicht rechtskräftig).

Hintergrund: Die antragsgebundene Steuervergünstigung für Veräußerungsgewinne kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden, § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG.

Sachverhalt: Ein Steuerberater prüfte für einen Mann einen Steuerbescheid, wonach der Mann Steuern nachzahlen sollte. Das Finanzamt hatte einen speziellen ermäßigten Steuersatz angewendet, der nur einmal im Leben genutzt werden kann. Allerdings hatte der Mann diesen speziellen Steuersatz gar nicht beantragt (konkret ging es um die Anwendung der Steuerermäßigung des § 34 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG). Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen den Bescheid vorzugehen, da sonst eine noch höhere Nachzahlung drohe. Der Mann folgte diesem Rat. Zehn Jahre später beantragte der Mann diesen ermäßigten Steuersatz, aber das Finanzamt lehnte ab. Dieser Steuersatz könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg, der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht des Finanzamts (BFH, Urteil v. 28.09.2021 – VIII R 2/19, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 07.01.2024).

Vor dem Landgericht Lübeck (LG) verlangt der Mann von dem Steuerberater Schadensersatz. Der Berater habe ihm empfehlen müssen, gegen den Bescheid vorzugehen. Anders sieht es der Steuerberater: er habe nicht wissen können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht ist, wenn dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu noch nicht gegeben.

Die Klage hatte vor dem LG Erfolg:

  • Der Steuerberater hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht werden kann.
  • Das Gesetz regelt dies eindeutig. Wegen dieser klaren Regelung hätte der Steuerberater über die Gefahr aufklären müssen, dass die Vergünstigung später verbraucht sein könnte, auch wenn sie gar nicht beantragt war.
  • Da er dies versäumt hat, muss er dem Mann den Schaden von rund 220.000 € ersetzen

Vermittlungsausschuss erzielt Einigung bei Änderung des Kfz-Haftpflichtrechts

Vertreter von Bundestag und Bundesrat haben sich am 21.02.2024 auf einen Kompromiss bei der Änderung des Kfz-Haftpflichtrechts geeinigt. Die vorgesehene Versicherungspflicht für bestimmte selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler soll entfallen.

Hintergrund: Die Bundesregierung hatte am 07.02.2024 zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2118 im Hinblick auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht und zur Änderung anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften den Vermittlungsausschuss angerufen, nachdem es am 02.02.2024 im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hatte.

Mit dem Gesetz will der Bundestag eine Richtlinie der Europäischen Union zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung umsetzen. Der Bundestagsbeschluss sieht unter anderem vor, dass ab dem 01.01.2025 auch selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h über die Kfz-Haftpflichtversicherung versichert werden müssen. Bisher sind diese Fahrzeuge davon befreit.

An dieser Regelung kam im Bundesratsverfahren und während der Plenardebatte Kritik auf. Danach wird die Einbeziehung dieser Fahrzeugtypen in die Versicherungspflicht als nicht erforderlich angesehen, da ihr Gebrauch der normalen Haftpflichtversicherung unterfällt und mögliche Schäden durch diese ausreichend abgesichert seien.

Hierzu führt der Bundesrat weiter aus:

  • Der Vermittlungsausschuss hat nun vorgeschlagen, die Neuregelung zu streichen und den bisher geltenden Ausschluss der Kfz-Versicherungspflicht für diese Fahrzeuge beizubehalten.
  • Als nächstes stimmt nun der Bundestag über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ab. Bestätigt anschließend auch der Bundesrat in seiner Sitzung am 22.03.2024 den Vorschlag, kann das geänderte Gesetz in Kraft treten.

Bundestag beschließt Änderung des Onlinezugangsgesetzes

Der Bundestag hat am 23.02.2024 den Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften – OZGÄndG (sog. Onlinezugangsgesetz 2.0) beschlossen. Der Gesetzentwurf soll u. a. den Rahmen für die weitere Digitalisierung der Verwaltung schaffen.

Das Gesetz umfasst für Bürger insbesondere folgende Punkte:

  • BundID als zentrales Bürgerkonto für alle: Der Bund stellt das digitale Bürgerkonto BundID für ganz Deutschland bereit. Bundesweit soll sich damit identifiziert und Anträge gestellt werden können. Außerdem wird ein digitales Postfach bereitgestellt, über das kommuniziert und Bescheide zugestellt werden können.
  • Die „Zettelwirtschaft“ wird endgültig durch die gesetzliche Verankerung des Once-Only-Prinzips abgeschafft. Nachweise für einen Antrag – zum Beispiel eine Geburtsurkunde – können zukünftig auf elektronischem Wege bei den zuständigen Behörden und Registern mit Einverständnis des Antragstellers abgerufen werden.
  • Zukünftig können Verwaltungsleistungen rechtssicher, einfach und einheitlich auch ohne händische Unterschrift beantragt werden; Digitale Anträge ersetzen Papierform, der Weg zum Amt bleibt erspart.
  • Hoheit über eigene Daten: Das Datenschutzcockpit wird ausgebaut zum umfassenden Transparenz- und Steuerungswerkzeug für Nutzerinnen und Nutzer. Zukünftig soll dort einsehbar sein, wenn eine Datenübermittlung zwischen öffentlichen Stellen stattgefunden hat.
  • Recht auf digitale Verwaltung: Bürger können zukünftig von einem einklagbaren Rechtsanspruch auf elektronischen Zugang zu Verwaltungsleistungen des Bundes Gebrauch machen. Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gehen damit nicht einher.

Inhalte, die für Unternehmen und andere juristische Personen relevant sind:

  • Ein Konto für alle: Unternehmen erhalten ein digitales Organisationskonto für Verwaltungsleistungen. Über dieses Konto sind digitale Verwaltungsleistungen einfach, sicher, transparent und von überall und zu jedem Zeitpunkt nutzbar.
  • Unternehmensleistungen werden „digital only“: Spätestens nach Ablauf von fünf Jahren sollen unternehmensbezogene Verwaltungsleistungen des Bundes ausschließlich elektronisch angeboten werden.
  • Einheitliche Digitalisierung: Der Bund soll innerhalb von zwei Jahren bundesweit technische Vorgaben, verbindliche Standards und einheitliche Schnittstellen vorgeben.
  • Medienbruchfreie Verwaltungsverfahren: Ende-zu-Ende-Digitalisierung wird im Bund zum Standard. Damit sollen von der Beantragung bis zum Bescheid künftig Online-Anträge komplett digital gestellt und bearbeitet werden.

Wachstumschancengesetz-Kompromiss

Wie erwartet hat der Bundestag am 23.02.2023 dem im Vermittlungsausschuss erarbeiteten Entwurf für ein Wachstumschancengesetz (BT-Drucks. 20/10410) zugestimmt. Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses war jedoch ohne Stimmen der CDU/CSU zustande gekommen, sodass nach derzeitigem Stand eine Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundesrat ungewiss ist.
Hierzu führt der Bundestag u.a. weiter aus:

  • In der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschuss wurde die ursprünglich vorgesehene Klimaschutz-Investitionsprämie gestrichen.
  • Ferner sieht das Vermittlungsergebnis Änderungen bei der Besteuerung von Renten und weiterer Regelungen im Einkommensteuerrecht im Vergleich zum ursprünglichen Beschluss des Bundestages vor. Das gilt auch für das Umsatzsteuerrecht.
  • Über das nun erarbeitete Ergebnis muss auch die Länderkammer neu entscheiden. Im Bundesrat könnte die Beschlussempfehlung in der nächsten Sitzung auf der Tagesordnung stehen. Angesetzt ist diese für den 22.03.2024.

Änderung des Stromsteuergesetzes – Begünstigtenkreis

Durch das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 (BGBl. 2023 I Nr. 412 v. 29.12.2023) wurde die antragsgebundene Stromsteuerentlastung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit Wirkung zum 01.01.2024 erweitert. Infolge der Neuerung dürfte das Thema für deutlich mehr Mandanten von kleinen und mittleren Kanzleien relevant sein als bislang. Hierauf macht der DStV aufmerksam.

Hintergrund: Anfang November 2023 machte die Bundesregierung ihr Strompreispaket publik. Anschließend wirbelte das Haushaltsdebakel die Pläne etwas durcheinander. Unternehmen des produzierenden Gewerbes (§ 2 Nr. 3 StromStG) profitieren dennoch: Seit dem 01.01.2024 greift für sie die gemäß Strompreispaket geplante Absenkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz von 0,50 €/MWh. Die Steuerentlastung ist vorerst für die Jahre 2024 und 2025 gesetzlich geregelt (§ 9b Abs. 2a StromStG). Sie soll für weitere drei Jahre gelten, sofern eine Gegenfinanzierung im Bundeshaushalt bis 2028 dargestellt werden kann.

Hierzu führt der DStV weiter aus:

  • Die Steuersenkung wird durch eine Erhöhung des Entlastungsbetrags in § 9b StromStG von 5,13 €/MWh auf 20 €/MWh umgesetzt. Waren folglich bislang versteuerte Stromentnahmen für betriebliche Zwecke erst ab knapp 50 MWh entlastungsfähig, liegt der Wert nunmehr bei 12,5 MWh.
  • Weiterhin gilt: Die Steuerentlastung wird nur gewährt, soweit der Entlastungsbetrag im Kalenderjahr den Sockelbetrag von 250 € übersteigt. Infolge der Erhöhung des Entlastungsbetrags wird die 250-€-Marke jedoch deutlich schneller erreicht sein.
  • Folglich können nunmehr nicht nur größere stromintensive Betriebe die Steuerentlastung in Anspruch nehmen, sondern mitunter auch Klein- und Kleinstunternehmen in den Begünstigtenkreis hineinfallen und entsprechend profitieren.
Um von der Stromsteuersenkung zu profitieren, müssen begünstigte Unternehmen einen Antrag auf Erstattung stellen. Dieser Antrag ist nach § 17b Abs. 1 StromStV beim jeweils zuständigen Hauptzollamt – spätestens bis zum 31.12. des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Strom entnommen worden ist – einzureichen. Weitere Detail-Informationen finden Sie u.a. auf der Internetseite des Zolls.
  • Für größere stromintensive Betriebe interessant: Ab einer entlastungsfähigen Strommenge von 50 MWh in einem bestimmten Entlastungsabschnitt ist unter bestimmten Voraussetzungen auch eine unterjährige Entlastung möglich (vgl. § 17b Abs. 2 StromStV).
  • Die Zollverwaltung rechnet infolge der gesetzlichen Neuregelung mit erhöhten Antragszahlen ab dem Jahr 2025. Dies dürfte sich auch in den Steuerkanzleien spiegeln.

Verfassungsbeschwerde gegen Revisionsentscheidung in einem „Cum-Ex“-Fall

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines wegen der Beteiligung an sog „Cum-Ex“-Geschäften zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser wendet sich im Kern gegen die Verwerfung seiner Revision gegen das Strafurteil durch den BGH (BVerfG, Beschluss v. 14.02.2024 – 2 BvR 1816/23).

Nach Auffassung der Richter ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht hinreichend begründet worden ist:

  • Soweit der Beschwerdeführer rügt, die angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn in seinem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), erschöpfen sich seine Ausführungen in der Sache in dem Vorwurf, der BGH sei den aus Sicht des Beschwerdeführers zutreffenden Rechtsauffassungen der Revision nicht gefolgt; davor schützt Art. 103 Abs. 1 GG nicht.
  • Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts auf ein faires Verfahren geltend macht, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe; der bloße Verweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts genügt insoweit nicht.
  • Eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Insbesondere fehlt es an Ausführungen dazu, warum der geltend gemachte Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes zugleich eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter darstellen solle. Eine solche Verletzung liegt nur vor, wenn die Nichtvorlage willkürlich erfolgt oder auf einer unhaltbaren oder einer die Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften beruht; solches liegt hier fern.

Geänderte Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug ab 01.04.2024

Das BMF hat den geänderten Programmablaufplan für die maschinelle Berechnung der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer, den Programmablaufplan für die Erstellung von Lohnsteuertabellen jeweils für 2024 sowie den Programmablaufplan für die Begrenzung der von Versorgungsbezügen einzubehaltenden Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags nach den DBA ab 2024 (Anwendung ab dem 01.04.2024) bekannt gegeben (BMF, Schreiben v. 23.02.2024 – IV C 5 – S 2361/19/10008 :011).

Hierzu führt das BMF u. a. weiter aus:

  • Die Programmablaufpläne berücksichtigen u.a. die Anpassungen des Einkommensteuertarifs, der Zahlenwerte in § 39b Absatz 2 Satz 7 EStG und des Kinderfreibetrags durch das Inflationsausgleichgesetz, die Beitragsbemessungsgrenzen für 2024, einen Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung von 1,7 % sowie Änderungen nach dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22. Dezember 2023 (a.a.O.) in Bezug auf die Berücksichtigung des Beitragsabschlags für zu berücksichtigende Kinder bei Arbeitnehmern, die in der inländischen sozialen Pflegeversicherung versichert sind
  • Die Programmablaufpläne sind spätestens ab dem 01.04.2024 anzuwenden. Zugleich ist die Übergangsregelung für die Ermittlung der Lohnsteuer auf Grundlage von Lohnsteuertabellen für 2023 nach dem BMF-Schreiben vom 03.11.2023 – IV C 5 – S 2361/19/10008 :010 BStBl 2023 I S. 1879 (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 07.11.2023) ausgelaufen.
  • Der ab dem 1.1.2024 unter Berücksichtigung der Vorgaben in der Bekanntmachung vom 03.11.2023 (a.a.O.) vorgenommene Lohnsteuerabzug ist vom Arbeitgeber spätestens bis zum 01.04.2024 zu korrigieren, wenn ihm dies – was die Regel ist – wirtschaftlich zumutbar ist (§ 41c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 EStG). Die Art und Weise der Neuberechnung ist nicht zwingend festgelegt (s. Bundestags-Drucksache 16/11740 vom 27. Januar 2009, S. 26). Sie kann durch eine Neuberechnung zurückliegender Lohnzahlungszeiträume, durch eine Differenzberechnung für diese Lohnzahlungszeiträume oder durch eine Erstattung im Rahmen der Berechnung der Lohnsteuer für einen demnächst fälligen sonstigen Bezug erfolgen. Eine Verpflichtung zur Neuberechnung scheidet aus, wenn z.B. der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder wenn die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt oder ausgeschrieben worden ist (§ 41c Absatz 3 EStG).
  • Durch die Änderung des Lohnsteuerabzugs ab dem 01.01.2024 ergeben sich keine Auswirkungen bei einem zuvor gebildeten Faktor (§ 39f EStG). Dieser behält weiter seine Gültigkeit, längstens bis Ende 2025 (siehe § 39f Absatz 1 Satz 9 EStG). Gleiches gilt für einen ermittelten Freibetrag (§ 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und 4a bis 8 sowie Satz 3 EStG).

Gesetz über digitale Dienste – Digital Services Act

Die Bundesregierung informiert über das Gesetz über digitale Dienste, welches seit dem 17.02.2024 vollständig anwendbar ist.

Hintergrund: Mit dem Gesetz über digitale Dienste können illegale Inhalte schneller aus dem Netz entfernt werden. Auch sollen mit dem Vorhaben die Grundrechte von Nutzern im Internet umfassender geschützt werden.

Worum geht es beim Gesetz über digitale Dienste?

Das Gesetz über digitale Dienste (englisch Digital Services Act, DSA) zielt auf ein sichereres und verantwortungsvolleres Online-Umfeld ab. Die Vorschriften im Gesetz über digitale Dienste sind ein einheitliches gemeinsames Regelwerk für die gesamte Europäische Union. Sie schützen Nutzerinnen und Nutzer besser und bieten Unternehmen im gesamten Binnenmarkt Rechtssicherheit. Es gilt für alle digitalen Dienste, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln.

Das Gesetz über digitale Dienste erleichtert die Entfernung illegaler Inhalte und schützt die Grundrechte der Nutzer. Hierunter fällt auch die Redefreiheit im Internet. Für große Online-Plattformen und Suchmaschinen, die monatlich mindestens 45 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer erreichen, gelten besondere Sorgfaltsanforderungen, wie zum Beispiel die Pflicht zur Risikoanalyse und Risikominimierung. Dazu sollen illegale Inhalte auf Plattformen besser bekämpft werden. Dies betrifft neben Hassrede beispielsweise auch gefälschte Produkte, die zum Kauf angeboten werden. Zudem soll die Entscheidungsfreiheit und Autonomie der Nutzer gestärkt werden, beispielsweise durch das Verbot sog. dark patterns, bei denen Nutzer zu Entscheidungen verleitet werden können, die sie nicht frei getroffen hätten.

Für welche Anbieter gilt das Gesetz über digitale Dienste?

Alle Online-Vermittler, die ihre Dienste im Binnenmarkt anbieten, müssen die neuen Vorschriften beachten. Dies gilt unabhängig davon, ob diese in der EU oder außerhalb niedergelassen sind. Online-Anbieter sind zum Beispiel Internetanbieter, Domänennamen-Registrierstellen, Hosting-Dienste wie Cloud- und Webhosting-Dienste, Online-Marktplätze, App-Stores, Plattformen der kollaborativen Wirtschaft und Social-Media-Plattformen. Für sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen gelten besondere Vorschriften, weil diese besondere Risiken für die Verbreitung illegaler Inhalte und für Schäden in der Gesellschaft bergen.

Wie geht es weiter?

Das Gesetz über digitale Dienste ist am 16.11.2022 in Kraft getreten und ist seit dem 17.02.2024 vollumfassend anwendbar. Die Bundesregierung hat das Digitale-Dienste-Gesetz auf den Weg gebracht, um die nationalen Vorschriften auf Bundes- und Länderebene an die neuen europarechtlichen Vorgaben anzupassen.

Ein wichtiger Bestandteil ist die Einsetzung nationaler DSA-Koordinatoren (Digital Service Coordinators, DSC) in den Mitgliedstaaten. Während die EU-Kommission sehr große Plattformen und Suchmaschinen beaufsichtigt, sind die DSCs für kleinere Plattformen zuständig und dienen als zentrale Beschwerdestelle für Bürger. Ab Inkrafttreten des Digitale-Dienste-Gesetzes werden die Bundesnetzagentur und die weiteren zuständigen Behörden bei Verstößen dieser Unternehmen gegen den DSA die erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung ergreifen können. Unabhängig hiervon können Strafverfolgungs- und Marktüberwachungsbehörden ebenso wie die Landesmedienanstalten weiterhin jederzeit gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen.

Hinweis:

Die neuen gesetzlichen Regelungen setzen das Telemediengesetz sowie den überwiegenden Teil des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes außer Kraft. Die bestehenden Vorgaben werden künftig unmittelbar durch den DSA oder durch das Digitale-Dienste-Gesetz geregelt.

Im Jahr 2024 zu erwartende Entscheidungen von besonderer Bedeutung

Der BFH informiert in seinem Jahresbericht 2023 u. a. über die im Jahr 2024 zu erwartenden Entscheidungen von besonderem Interesse.

Nachfolgend die spannendsten Verfahren im Überblick:

I. Einkommensteuer

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Ausschluss der 1 %-Regelung bei einem zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeug ohne Fahrtenbuch (III R 34/22): In dem Verfahren stellt sich die Frage, welche Kriterien heranzuziehen sind, um den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung eines im Betriebsvermögen befindlichen PKW, für den kein Fahrtenbuch geführt wurde, zu erschüttern (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 Halbsatz 1 EStG).

Schenkung eines verpachteten Hotelbetriebs (gegebenenfalls) unter Nießbrauchsvorbehalt (IV R 1/20): Der Vater schenkte seinen verpachteten Hotelbetrieb mit dem dazugehörigen Grundstück je hälftig an seine beiden Kinder, wobei er sich zunächst den Nießbrauch vorbehielt. Das Nießbrauchsrecht wurde zeitnah durch eine an den Vater zu leistende monatliche Rentenzahlung ersetzt. Die Kinder erklärten (als GbR) aus dem auf sie übergegangenen Hotelbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Viele Jahre später setzten sich die Kinder unter anderem dergestalt auseinander, dass eines von ihnen sein hälftiges Miteigentum an dem Hotelgrundstück auf das andere übertrug. In dem Verfahren stellt sich insbesondere die Frage, ob die damalige Schenkung des verpachteten Hotelbetriebs an die Kinder von § 7 Abs. 1 EStDV (heute § 6 Abs. 3 EStG) erfasst ist, so dass die Übertragung des hälftigen Hotelgrundstücks infolge fortbestehender Betriebsvermögenseigenschaft ein steuerbares Veräußerungsgeschäft ist.

Verfassungsmäßigkeit des § 15 b EStG bei Definitivverlusten im Falle der Einstellung des Betriebs; Einbeziehung von Sonderbetriebsausgaben (IV R 6/22): Greift die Verlustabzugs- und -ausgleichsbeschränkung des § 15 b EStG nicht ein, soweit Verluste – im Streitfall infolge der Betriebsaufgabe der Gesellschaft nach Veräußerung ihres gesamten Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter – nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle ausgeglichen werden können? Ist die Vorschrift auf Verluste aus dem steuerlichen Sonderbetriebsvermögen bereits dem Grunde nach nicht anzuwenden?

Realteilung bei Sachwertabfindungen durch eigene Aktien des ausscheidenden Mitunternehmers (IV R 15 und 16/22): Im Gesamthandsvermögen der Klägerin, einer Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, befanden sich Aktien einer AG, die als Kommanditistin an der Klägerin beteiligt war. Im Streitjahr schied die AG aus der Klägerin aus. Als Abfindung erhielt sie die ihrer Beteiligung entsprechenden Aktien, die dadurch zu eigenen Aktien der ausgeschiedenen Kommanditistin und von dieser im Folgejahr im vereinfachten Einziehungsverfahren ohne Kapitalherabsetzung eingezogen wurden. Der Bundesfinanzhof wird zu entscheiden haben, ob das Ausscheiden der AG aus der Klägerin zu einem Aufgabegewinn geführt hat, oder ob die Realteilungsgrundsätze auch im Falle des Ausscheidens gegen Sachwertabfindung durch eigene Aktien des Ausscheidenden angewandt werden können.

Schätzung nach Maßgabe der sog. Richtsatzsammlung (X R 19/21): Sind die Besteuerungsgrundlagen nicht zu ermitteln oder zu berechnen, hat das Finanzamt diese nach § 162 AO zu schätzen. Dazu bedarf es geeigneter Schätzungsmethoden. Im Rahmen der vorliegenden Revision ist streitig, unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Richtsatzschätzung (BMF-Richtsätze) zulässig und geeignet ist. Das BMF ist diesem Verfahren beigetreten und tritt den in der steuerrechtlichen Literatur wiederholt dargelegten kritischen Meinungen entgegen.

Zeitliche Erfassung von Betriebseinnahmen (X R 3/22): Das FA hatte in einem Gastronomiebetrieb Hinzuschätzungen vorgenommen. Der BFH wird voraussichtlich Gelegenheit haben, sich mit den Folgen der objektiven Manipulierbarkeit technisch älterer Kassensysteme zu befassen. Streitig ist ferner, in welchem Zeitpunkt bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung Einnahmen aus Gutscheinen anzusetzen sind.

Verluste bei beschränkter Haftung nach formwechselnder Umwandlung einer Kommanditgesellschaft in eine GmbH (X R 5/22): Gemäß § 15 a Abs. 4 EStG werden nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verluste eines Kommanditisten jährlich gesondert festgestellt. Sie mindern die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind (§ 15 a Abs. 2 EStG). Zu klären hat der X. Senat im Rahmen der Revision, ob ein solcher Verlust nach § 15 a EStG auch Gewinne mindert, die sich nach einer formwechselnden Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine GmbH aus der Veräußerung der GmbH-Anteile des früheren Kommanditisten ergeben.

Zeitpunkt der Aktivierung von Provisionsforderungen (X R 12/22): Ein Versicherungsvertreter hat nach § 92 Abs. 4 HGB einen Anspruch auf Provision, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Im Verfahren X R 12/22 ist – in Abhängigkeit von unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertretervertrags – zu klären, in welchem Zeitpunkt der Versicherungsvertreter seinen Provisionsanspruch bilanzsteuerrechtlich „realisiert“ hat, wann er also zu versteuern ist.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

Betriebsausgabenabzug für einen Lamborghini Aventador (VIII R 12/21): Die Privatnutzung eines Fahrzeugs, das sich im Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen befindet, ist – sofern kein Fahrtenbuch geführt wird – pauschal mit monatlich 1 % des (Brutto-)Listenpreises als Entnahme anzusetzen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Fahrzeug überhaupt nicht privat, sondern rein betrieblich genutzt wurde. Die Beteiligten streiten vorliegend unter anderem um den Nachweis der rein betrieblichen Nutzung eines Luxussportwagens (Lamborghini Aventador) sowie um die Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs.

Freiberufliche Tätigkeit einer zahnärztlichen Partnergesellschaft (VIII R 4/22): Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine freiberufliche Tätigkeit, wenn sämtliche Mitunternehmer die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Jeder Mitunternehmer muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten. Hierüber streiten die Beteiligten, weil ein Mitunternehmer in einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft zwar approbierter Zahnarzt ist, aber ganz überwiegend nur Organisations-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten ausübt und nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten erbringt.

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

Teilweiser Erlass eines sog. Aufstiegs-BAföG aufgrund bestandener Prüfung (VI R 9/21): Die Klägerin nahm in den Jahren 2014 und 2015 erfolgreich an einer Aufstiegsfortbildung teil, wofür sie unter anderem von der KfW jeweils mit einem Darlehen unterstützt wurde. Die Fortbildungskosten wurden in diesen Jahren als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Im Jahr 2018 erließ die KfW aufgrund der bestandenen Prüfung die gewährten Darlehen gemäß § 13 b des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung teilweise. Zu klären ist, ob die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit um die erlassenen Darlehensbeträge zu erhöhen oder diese nach § 22 Nr. 3 EStG als sonstige Leistungen steuerbar sind.

Lohnsteuerpauschalierung bei Betriebsveranstaltungen (VI R 5/22): Arbeitslohn, der aus Anlass einer Betriebsveranstaltung zufließt, kann gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal mit 25 % versteuert werden. Eine Betriebsveranstaltung lag nach bisheriger BFH-Rechtsprechung nur vor, wenn diese allen Betriebsangehörigen offenstand. Infolge der vom Gesetzgeber mit Wirkung ab 2015 in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG neu geschaffenen Legaldefinition der Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen ist nunmehr jedoch umstritten, ob diese Voraussetzung weiterhin vorliegen muss. Hiermit wird sich der Bundesfinanzhof im Verfahren VI R 5 / 22 beschäftigen.

Besteuerung eines Lehramtsstudienstipendiums (VI R 13/22): Das Land Berlin vergibt Stipendien an Lehramtsstudierende, die sich dazu verpflichten, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums drei Jahre als Lehrkraft in Berlin tätig zu werden. Zu klären ist, ob diese Stipendien zu steuerbaren Einkünften führen und dann gegebenenfalls gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sind. Ferner ist zu beurteilen, ob die Gewährung dieser Stipendien eine (teilweise) Versagung des Abzugs von Aufwendungen für das Studium als vorweggenommene Werbungskosten zur Folge hat.

Einkünfte aus Kapitalvermögen

Nutzungsmöglichkeit einer spanischen Immobilie als verdeckte Gewinnausschüttung (VIII R 4/21): Die Kläger waren in den Streitjahren 2010 bis 2012 Alleingesellschafter von zwei spanischen Kapitalgesellschaften. Zum Vermögen dieser Gesellschaften gehörte eine Immobilie auf Mallorca, die bis zum Umzug der Kläger nach Deutschland im Jahr 2007 deren Hauptwohnsitz war. Das Finanzamt sah in der jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit dieser Immobilie durch die Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung der spanischen Kapitalgesellschaften an die Kläger in Höhe der marktüblichen Miete. Das Finanzgericht gab der Klage nur teilweise statt.

Forderungsverzicht eines Gesellschafters gegen Besserungsschein zugunsten seiner Kapitalgesellschaft (VIII R 8/22): Der Verzicht eines Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil einer Darlehensforderung zugunsten seiner Kapitalgesellschaft kann nach Einführung der Abgeltungsteuer zu negativen Einkünften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG führen. Streitig ist, ob die negativen Einkünfte bereits im Verzichtszeitpunkt entstehen, wenn der Verzicht gegen einen Besserungsschein erklärt wird.

Abgrenzung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und nichtselbständiger Arbeit (VIII R 10/22): Im Streitfall hat sich ein leitender Angestellter als typisch stiller Gesellschafter an seiner Arbeitgeberin beteiligt. Streitig ist, ob die kapitalmäßige Beteiligung eine eigenständige Erwerbsgrundlage ist oder die damit in Zusammenhang stehenden Erwerbseinnahmen und -aufwendungen in einem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlagungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen.

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Abzugsfähigkeit von Verlusten aus Zinsswaps (VI R 11/22): Verluste aus Termingeschäften, wie zum Beispiel aus Zinsswaps, dürfen im Regelfall nicht mit anderen Einkünften des Steuerpflichtigen verrechnet werden, wenn die Verluste zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG) gehören. Für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gem. § 13 EStG fehlt eine Regelung über eine Beschränkung der Verlustverrechnung. Vor diesem Hintergrund muss der Bundesfinanzhof entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Verluste aus einem Zinsswap anstatt zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören.

Sonderausgaben

Beiträge zur freiwilligen privaten Pflegeversicherung als unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (X R 10/20): Beiträge zur freiwilligen privaten Pflegeversicherung sind lediglich im Rahmen des Höchstbetrags im Sinne des § 10 Abs. 4, Abs. 4 a EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Im Streitfall ist zu prüfen, ob ein unbeschränkter Abzug dieser Beiträge als Sonderausgaben verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums geboten ist, soweit erst aufgrund der freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung im Bedarfsfall ein Leistungsumfang erreicht wird, der dem sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveau entspricht.

Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmälern im EU-Ausland (X R 19/22): Die erhöhte Absetzung bei Baudenkmälern nach § 7 i Abs. 1 Satz 1 EStG ist auf im Inland belegene Gebäude beschränkt. Der Steuerpflichtige begehrt die Berücksichtigung erhöhter Absetzungen für ein in Polen unter Denkmalschutz stehendes Gebäude. Der X. Senat hat zu prüfen, ob insoweit ein Verstoß gegen europäische Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit) vorliegt.

Außergewöhnliche Belastungen

Wertgrenze für unschädliches Vermögen (VI R 21/21): Der Abzug von Unterhaltsaufwendungen und Aufwendungen für die Berufsausbildung für gesetzlich unterhaltsberechtigte oder diesen gleichgestellte Personen setzt nach § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG unter anderem voraus, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Die Finanzverwaltung sieht insoweit Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 € als unschädlich an. Der Bundesfinanzhof hat nun zu entscheiden, ob diese von ihm in der Vergangenheit gebilligte Grenze auch im Veranlagungszeitraum 2019 noch Bestand hat.

Aufwendungen für eine In-vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung (VI R 2/22): Der ledigen, empfängnisfähigen Klägerin entstanden Aufwendungen für eine In-vitro-Fertilisation, da bei ihrem Partner krankheitsbedingte chromosomale Zeugungsrisiken bestanden. Aus medizinischen Gründen musste die Klägerin behandelt werden. Einen Teil der an die Klägerin adressierten Rechnungen bezahlte diese selbst, im Übrigen bezahlte sie ihr Partner. Streitig ist, ob die Aufwendungen gem. § 33 EStG berücksichtigt werden können und – wenn dies der Fall sein sollte –, ob dies auch für die vom Partner bezahlten Aufwendungen gilt.

Kindergeld

Anspruch auf Kindergeld während eines freiwillig absolvierten Wehrdienstes (III R 43/22): Unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG kann ein Kind, das zwar das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, beim Familienleistungsausgleich berücksichtigt werden. Zu entscheiden ist über den Kindergeldanspruch während eines freiwillig absolvierten Wehrdienstes nach der Beendigung der Grundausbildung.

II. Körperschaftsteuer

Verdeckte Gewinnausschüttung bei irrtümlicher Vermögensverschiebung (I R 9/20): Im Zuge einer Kapitalerhöhung bei einer Tochter-GmbH durch eine von der Mutter-GmbH eingezahlte Kapitaleinlage wurde der neu entstandene Gesellschaftsanteil im Gesellschafterbeschluss irrtümlich (entgegen der ursprünglichen Absicht) der beherrschenden Gesellschafterin der Mutter-GmbH zugewiesen. Damit stellt sich die Rechtsfrage, ob die „irrtümliche Vermögensverschiebung“ auf die Gesellschafterin als verdeckte Gewinnausschüttung einkommenserhöhend anzusetzen ist.

Körperschaftsteuerliche Organschaft und atypisch stille Beteiligung (I R 17/21): Hindert das Vorliegen eine atypisch stillen Beteiligung an einer Organgesellschaft die steuerliche Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft, da die Organgesellschaft wegen der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter nicht entsprechend dem Gewinnabführungsvertrag „ihren ganzen Gewinn“ an ihren Organträger abführt? Und ist die tatsächlich erfolgte Gewinnabführung, wenn eine „verunglückte Organschaft“ vorliegt, als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Organgesellschaft einkommenserhöhend anzusetzen, auch wenn sie auf dem Gewinnabführungsvertrag beruht?

Bilanzsteuerrechtliche Behandlung von Steuernachforderungen (XI R 19/21): Ist eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge und für Steuerberatungskosten aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung aufgegriffen wird?

III. DBA/internationales Steuerrecht

Unionsrechtswidrigkeit des § 11 InvStG 2004 (I R 1/20): Ein beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Fonds, der Dividenden inländischer Aktiengesellschaften bezogen hat, beantragt die Erstattung der im Inland einbehaltenen Kapitalertragsteuer, da er zur Vermeidung einer Diskriminierung entsprechend einem inländischen Fonds (dieser auf der Grundlage der nationalen Regelung des § 11 InvStG 2004) aus unionsrechtlichen Gründen ebenfalls steuerfrei zu stellen sei.

IV. Gewerbesteuer

Untergang eines Gewerbeverlustes (III R 30/21): Zu entscheiden ist, ob ein ursprünglich bei einer Personengesellschaft entstandener und vor dem Streitjahr durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangener, bestandskräftig festgestellter Verlustvortrag untergeht, weil die Kapitalgesellschaft den von der Personengesellschaft übernommenen und zunächst fortgeführten Betrieb im Laufe des Streitjahres veräußert.

Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung (III R 36/22): Zu klären ist, ob die auf § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG gestützte Hinzurechnung von Aufwendungen für Werbung berechtigt ist, namentlich ob die Aufwendungen als Miet- beziehungsweise Pachtzinsen und die genutzten Wirtschaftsgüter als fiktives Anlagevermögen einzuordnen sind.

Gewerbesteuerrechtliche Kürzung (III R 41/22): Zu einem Organkreis gehören neben der Organträgerin Organgesellschaften (Kapitalgesellschaften) mit eigenem Immobilienbestand, den sie einer weiteren Organgesellschaft (Kapitalgesellschaft) verpachten, die nicht über eigene Immobilien verfügt. Diese Gesellschaft vermietet oder verpachtet die Immobilien im eigenen Namen an Personen außerhalb des Organkreises. Zu entscheiden ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Geschäftsbeziehungen zu einer bei der Organträgerin zu berücksichtigenden erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG führen, und wenn ja, ob der im Organkreis entstandene Pachtaufwand nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnen ist.

Klage der Kommune gegen Zerlegung der Gewerbesteuermessbeträge aus Betrieb von Gas-Pipeline (IV R 2-4/21): Die Klägerin ist eine von vielen Kommunen in Deutschland, durch deren Gebiet eine Erdgas-Pipeline führt. Sie wendet sich gegen die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags des Betreibers der Pipeline. Sie begehrt für eine mehrgemeindliche Betriebsstätte eine andere Aufteilung, die weniger an die an den verschiedenen Standorten erzielten Arbeitslöhne und die Menge des abgegebenen Gases anknüpft, sondern den Wert der dortigen Anlagen und den Aufwand für ihre Infrastruktur und die Gemeindelasten für die Pipeline berücksichtigt. Ist die Klage der Kommune zulässig, auch wenn sie nicht beziffern kann, wie sich eine geänderte Zerlegung für sie auswirken würde?

Gewerbesteuerzerlegung bei Betrieb eines Offshore-Windparks (IV R 5/22): Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages einer Personengesellschaft, die auf gemeindefreiem Gebiet innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone im Küstengebiet einen Windpark betreibt. Sie hatte im Streitzeitraum keine Arbeitslöhne gezahlt und besaß außer den Windkraftanlagen kein weiteres Anlagevermögen. Das Finanzamt wies den Gewerbeertrag der Gesellschaft, soweit er auf den fiktiven Mitunternehmerlohn entfiel, der Gemeinde des Sitzes der Geschäftsleitung und im Übrigen dem Bundesland zu, in dessen Küstengebiet der Windpark liegt. Der Bundesfinanzhof wird zu entscheiden haben, ob das Bundesland zu Recht als „weitere hebeberechtigte Gemeinde“ behandelt wurde, also selbst Gewerbesteuer erheben darf.

V. Umsatzsteuer

Vorsteuerabzug bei Holding, die Darlehen vergibt? (V R 30/21): Streitig ist der Vorsteuerabzug einer Holding, die ihre Unternehmerstellung aus der Vergabe von Darlehen ableitet.

Umsatzsteuerliche Behandlung einer Haarwurzeltransplantation (XI R 17/21): Unter welchen Voraussetzungen stellt ein durch einen Arzt bei verschiedenen Formen der Alopezie bei Frauen und Männern vorgenommener Eingriff in Gestalt einer Haarwurzeltransplantation eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung dar?

Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen für die Bestandteile von sog. Sparmenüs in der Systemgastronomie beim Außer-Haus-Verkauf (XI R 19/23): Nach welcher Methode – Food-and-Paper-Kosten-Methode oder Einzelverkaufspreismethode (auch: Marktpreismethode) – ist der Gesamtpreis für ein sog. Sparmenü in der Systemgastronomie bei Außer-Haus-Umsätzen für Zwecke der Umsatzsteuer auf die Lieferung der ermäßigt zu besteuernden Speisen und dem Regelsteuersatz unterliegende Getränke und „Non-Food-Bestandteile“ aufzuteilen?

Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter in Zeiten pandemiebedingter Schließung (XI R 36 / 22 und XI R 5/23): Sind Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter auch dann als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen anzusehen, wenn das Fitnesscenter auf Grund einer vorübergehenden, pandemiebedingten Schließung keine Nutzung seiner Räumlichkeiten anbieten kann?

VI. Erbschaft-/Schenkungsteuer

Vermächtnisschuld bei Jastrow´scher Klausel (II R 34/20): Bei der Jastrow´schen Klausel, die bei der gegenseitigen Erbeinsetzung von Ehegatten genutzt wird, erhalten die Pflichtteilsberechtigten, die den Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden nicht geltend machen, ein bis zum Tod des Letztversterbenden aufschiebend bedingtes Geldvermächtnis. Fraglich ist in diesem Fall, wie das Vermächtnis zu besteuern ist und ob sich die Vermächtnisschuld bei dem erwerbenden Kind steuermindernd auswirkt.

Erledigt durch BFH, Urteil v. 11.10.2023 – II R 34/20; veröffentlicht am 27.2.2024, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 28.2.2024).

Parkhaus als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen? (II R 27/21): Der Bundesfinanzhof wird in dem Fall zu entscheiden haben, ob die Parkplatzbereitstellung in einem Parkhaus eine Nutzungsüberlassung von Grundstücksteilen an Dritte ist und damit das Parkhaus nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13 b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG darstellt.

Billigkeitserlass (II R 1/22): Der Bundesfinanzhof wird zu klären haben, ob eine festgesetzte Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen zu erlassen ist, wenn dem tatsächlichen Erben aus dem Nachlass keinerlei Vermögenswerte mehr zufließen, weil diese bereits zuvor von Scheinerben verbraucht worden sind.

Freibetrag für Abkömmling eines Erbverzichtenden (II R 13/22): Im Erbschaftsteuerrecht steht Enkeln grundsätzlich ein Freibetrag in Höhe von 200.000 € zu. Dieser erhöht sich auf 400.000 €, wenn der Elternteil, der die Verwandtschaft des Enkels zum Erblasser begründet, bereits verstorben ist. Der Bundesfinanzhof hat zu entscheiden, ob dies auch dann gilt, wenn der Elternteil zwar nicht vorverstorben ist, aber auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat.

VII. Grunderwerbsteuer

Anwendung von § 6 a GrEStG auf Ausgliederungsfälle (II R 2/22 und II R 31/22): § 6 a GrEStG sieht eine Steuerbefreiung bei Umstrukturierungen im Konzern vor. Der Bundesfinanzhof wird in den beiden Fällen zu beurteilen haben, inwieweit die Begünstigungsvorschrift auch auf Fälle Anwendung findet, in denen ein Rechtsträger Teile seines Vermögens auf andere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger ausgliedert.

Nachträglich mit dem Bauträger vereinbarte Sonderleistungen (II R 15/22 und II R 18/22): Der Bundesfinanzhof wird die Frage zu entscheiden haben, ob nachträglich mit einem Bauträger vereinbarte Sonderleistungen nach Erwerb eines noch nicht errichteten Gebäudes eine grunderwerbsteuerpflichtige Gegenleistung darstellen.

Anwendung des § 6 a GrEStG auf Abspaltungsvorgänge zur Neugründung bei Personenidentität (II R 56/22): § 6 a GrEStG sieht eine Steuerbefreiung unter anderem bei bestimmten Umwandlungsvorgängen nach dem Umwandlungsgesetz vor. Der Bundesfinanzhof wird zu entscheiden haben, ob die Vorschrift auch in den Fällen Anwendung findet, in denen die neugegründete Gesellschaft nicht an der abspaltenden Gesellschaft beteiligt ist, allerdings eine Personenidentität besteht.

VIII. Zollrecht

Zollwertrechtliche Behandlung von Software (VII R 2/22): In diesem Verfahren ist zu entscheiden, ob die Kosten der Entwicklung einer europäischen Software, die im Drittland auf ein dort produziertes Teil aufgespielt wird, in den Zollwert einfließen und damit auch die Höhe der Einfuhrabgaben beeinflussen. Außerdem ist zu klären, ob eine Regelungslücke vorliegt, weil Software als geistige Beistellung nicht die Eigenschaft einer Ware besitzt und daher nicht dem Verfahren der passiven Veredelung zugänglich ist.

Eingang in den Wirtschaftskreislauf (VII R 17/22): In diesem Verfahren geht es um das Entstehen und das Erlöschen der Zollschuld und der Einfuhrumsatzsteuer bei der vorschriftswidrigen Einfuhr einer Nicht-Unionsware zum Zwecke der zollbehördlich nicht bewilligten aktiven Veredelungshandlung (hier Wartung) im Zollgebiet der Europäischen Union. Zu klären ist dabei unter anderem, ob ein solcher Gegenstand einfuhrumsatzsteuerrechtlich in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist.

IX. Stromsteuer

Örtliche Zuständigkeit des HZA für stromsteuerrechtliche Entlastungsanträge bei Verschmelzung einer Gesellschaft auf eine andere (VII R 23/22): Der Senat wird über die Frage des örtlich zuständigen Hauptzollamts für strom- und energiesteuerliche Entlastungsanträge entscheiden, wenn die Gesellschaft mit ihrer Fabrikationsstätte auf eine Gesellschaft verschmolzen wird, bei der sich der Sitz der Geschäftsleitung außerhalb des räumlichen Zuständigkeitsbereichs des (bisherigen) Hauptzollamts befindet.

X. Bewertungsrecht

Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG (II R 8/22): Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren geltend, dass der zur Berechnung des Kapitalwerts eines Nießbrauchsrechts auf den Jahreswert anzuwendende Vervielfältiger bereits im Jahr 2016 vor dem Hintergrund des BVerfG-Beschlusses vom 08.07.2021 – 1 BvR 2237 / 14, 1 BvR 2422 / 17 unter Zugrundlegung eines Zinssatzes von 1,8 % anstelle der gesetzlich vorgesehenen 5,5 % zu ermitteln gewesen sei.

Verfassungsmäßigkeit der Sterbetafeln (II R 38/22, II R 41/22 und II R 42/22): Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG stellt das Bundesministerium der Finanzen die Vervielfältiger für den Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammen und veröffentlicht diese zusammen mit dem Datum der Veröffentlichung der Sterbetafel im Bundessteuerblatt. Der Kläger hält die Differenzierung der Sterbetafeln nach dem Geschlecht für verfassungswidrig.

Bewertung von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften (II R 49/22): Der Bundesfinanzhof wird sich in diesem Fall mit der Bewertung von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften nach § 11 Abs. 2 BewG zu befassen haben, wenn bei einer Veräußerung der Erwerberkreis gesellschaftsvertraglich eingeschränkt war. Dabei wird auch zu klären sein, ob bei der Bewertung ein pauschaler Wertabschlag für Familienholdinggesellschaften zulässig ist und der Substanzwert die Untergrenze bildet.

XI. AO/Verfahrensrecht

Zuständigkeit für die Prüfung des Steuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen (I R 21/21): Zu entscheiden ist im Zusammenhang mit dem Quellensteuerabzug nach § 50 a EStG für beschränkt Steuerpflichtige über die Rechtsfrage, ob für die Anordnung und Durchführung von Außenprüfungen sachlich das Bundeszentralamt für Steuern (das nach dem Finanzverwaltungsgesetz für die „Durchführung des Steuerabzugsverfahrens … einschließlich des Erlasses von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung“ zuständig ist) oder das örtliche Finanzamt (so die bisherige Praxis) verantwortlich zeichnet. Kann eine vom örtlichen Finanzamt erlassene Prüfungsanordnung „nichtig“ sein?

Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden (III R 14/22): Zu klären ist, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden kann, wenn dem Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung formelle Mängel der Kassenaufzeichnungen bekannt werden, die eine Befugnis zur Hinzuschätzung begründen.

Mitteilung, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat, als Verwaltungsakt? (IV R 17/22): Das Finanzamt führte bei einer Personengesellschaft (GbR), an der der Kläger beteiligt ist, eine Außenprüfung durch, die nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Nachdem im Rahmen einer parallel beim Einzelunternehmen des Klägers durchgeführten Außenprüfung festgestellt wurde, dass bestimmte im Rahmen seines Einzelunternehmens abgezogene Betriebsausgaben bei der GbR hätten berücksichtigt werden müssen, und der Gewinn entsprechend erhöht wurde, beantragte er die Feststellung dieser Sonderbetriebsausgaben bei der GbR. Der Bundesfinanzhof wird zu entscheiden haben, ob die Mitteilung des Finanzamtes, dass die Prüfung bei der GbR nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat, ein Verwaltungsakt ist, durch dessen Anfechtung der Kläger die begehrte Änderung der Feststellungsbescheide erreichen kann.

Wirksame Bekanntgabe bei Widerruf der Vollmacht vor Ablauf der Dreitagesfiktion (VI R 25/21): Zu klären ist, ob eine wirksame Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten vorliegt, wenn der Verwaltungsakt diesem nachweislich innerhalb der Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zugegangen ist und der Bevollmächtigte dem Finanzamt daraufhin den Widerruf seiner Vollmacht innerhalb dieser Fiktion anzeigt.

Anfechtbarkeit einer Zahlung von niedrigem Arbeitslohn auf ein geliehenes Konto (VII R 11/20): Der Senat hat in diesem Streitfall zu entscheiden, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, wenn unterhalb der Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO liegendes Arbeitseinkommen des Schuldners auf das geliehene Konto der Ehefrau gezahlt wird, oder ob ein Zugriff nach dem AnfG wegen der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO ausgeschlossen ist.

Form der Klageerhebung (VII R 34/22): Das Verfahren betrifft die Frage, ob eine Rechtsanwaltsgesellschaft seit 01.01.2022 verpflichtet ist, eine Klage in elektronischer Form nach § 52 d FGO zu erheben und ob eine nicht in dieser Form erhobene Klage unzulässig ist.

XII. DSGVO

Umfang der Betroffenenrechte nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO (IX R 35/21): Der Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten der betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO wird flankiert durch Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO, wonach der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen hat. Zu klären ist insbesondere, wie weit der Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geht, unter welchen Voraussetzungen dieser Anspruch zu beschränken beziehungsweise auszuschließen ist und ob der Betroffene aufgrund von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO die Vorlage physischer Akten verlangen kann.

XIII. Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz

Verfassungskonformität des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes (FKAustG; IX R 36/21): Das FKAustG bildet die Rechtsgrundlage für den grenzüberschreitenden Datenaustausch über Finanzkonten unter anderem mit der Schweiz. Der BFH wird zu entscheiden haben, ob diese Regelungen zu einer Verletzung der Grundrechte der Kläger führen, sodass die entsprechenden Daten im Besteuerungsverfahren nicht zu berücksichtigen sein könnten.

XIV. Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft

Betrieb der Fleischwirtschaft (VII R 24/21): Handelt es sich bei einem Wursthersteller um einen Betrieb oder eine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch in Verbindung mit § 6 Abs. 9 AEntG und verstößt er bei Zusammenarbeit mit Konzerngesellschaften und anderen Unternehmen auf Basis von Werkverträgen oder Arbeitnehmerüberlassung gegen das Kooperationsverbot gemäß § 6 a Abs. 1 GSA Fleisch?

Zinszahlungen auf „unternehmensgruppeninterne“ Darlehen

§ 3c Abs. 2 EStG findet im Wege teleo­logischer Reduk­tion in dem Umfang auf Betriebs­aus­gaben der Gesamt­hand keine Anwen­dung, wie diese Sonder­ver­gütun­gen der Gesell­schafter sind (Bestäti­gung von BFH, Urteil v. 06.02.2020 – IV R 5/18, BStBl II 2020, 448). Ent­sprechen­des gilt für Sonder­betriebs­ausgaben des (Sonder-)Mit­unter­nehmers, die Gesamt­hands­einkünfte der Gesell­schaft sind. Maßgebend ist inso­weit eine auf den Gesamt­gewinn der Mit­unter­nehmer­schaft bezogene Betrach­tung (BFH, Urteil v. 16.11.2023 – IV R 26/20; veröf­fent­licht am 29.02.2024).