Vereinbarkeit von Nachzahlungszinsen

Bei summarischer Prüfung bestehen für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 AO mit dem Unionsrecht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen Anwendung von § 233a AO in Bezug auf mehrere Besteuerungszeiträume, die einerseits zum Entstehen von Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, die Erstattungs- die Nachzahlungszinsen erheblich übersteigen (BFH, Beschluss v. 01.03.2024 – V B 34/23 (AdV); veröffentlicht am 21.03.2024).

Änderung des Anwendungserlasses zur Beweiskraft der Buchführung

Vor dem Hintergrund der Neufassung des § 158 AO durch das Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie v. 20.12.2022 hat das BMF den AEAO zu § 158 – Beweiskraft der Buchführung – neu gefasst.

Danach gilt Folgendes:

  • Bei formeller Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen enthält § 158 Abs. 1 AO die gesetzliche Vermutung zur sachlichen Richtigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen.
  • Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen beurteilt sich nach den §§ 140 bis 148 AO und gegebenenfalls nach den weiteren Ordnungsvorschriften der Einzelsteuergesetze. Für die Annahme einer formellen Ordnungsmäßigkeit ist das Gesamtbild aller Umstände des Einzelfalls maßgebend. Die Buchführung und die Aufzeichnungen können trotz einzelner formeller Mängel aufgrund der Gesamtwertung insgesamt als formell ordnungsmäßig anzusehen sein. Eine Buchführung ist erst dann formell ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweist oder die Gesamtheit aller (unwesentlichen) Mängel diesen Schluss fordert (BFH-Beschluss vom 02.12.2008, X B 69/08, m.w.N.).
  • Die Vermutung nach § 158 Abs. 1 AO verliert ihre Wirksamkeit nach § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO insbesondere, soweit es nach einer Verprobung oder anderen Erkenntnissen unwahrscheinlich ist, dass das ausgewiesene Ergebnis mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt.
  • Die Vermutung nach § 158 Abs. 1 AO verliert ihre Wirksamkeit nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO, soweit der Steuerpflichtige der Finanzverwaltung aufbewahrungspflichtige digitale Unterlagen nicht nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstellen (vgl. § 146a AO i. V. m. § 4 KassenSichV, § 147b AO oder § 41 Abs. 1 Satz 7 EStG i. V. m. § 4 Abs. 2a LStDV) zur Verfügung stellt. Bei dem Zur-Verfügung-Stellen von Unterlagen nach den Vorgaben einer einheitlichen digitalen Schnittstelle handelt es sich um formelle Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen. Die Buchführung und die Aufzeichnungen entsprechen nicht den Vorgaben einer einheitlichen digitalen Schnittstelle, wenn die aufbewahrungspflichtigen digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.
  • Ist § 158 Abs. 1 AO wegen einer Ausnahme nach § 158 Abs. 2 AO nicht anwendbar, richten sich die hieraus resultierenden Folgen für die Besteuerung insoweit nach den Umständen des Einzelfalls. 
Ist die Buchführung oder sind die Aufzeichnungen ganz oder teilweise aufgrund des § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, können die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO geschätzt werden. Insoweit kommt der sachlichen Gewichtung der Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu. Das Buchführungsergebnis ist nicht zu übernehmen, soweit die Beanstandungen reichen. Eine Vollschätzung an Stelle einer Hinzuschätzung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Buchführung in wesentlichen Teilen als unbrauchbar erweist. 
Ist die Buchführung oder sind die Aufzeichnungen ganz oder teilweise aufgrund des § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, kann eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO insoweit gegeben sein, wie die aufbewahrungspflichtigen digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.

Quelle: BMF, Schreiben v. 11.03.2024 – IV D 2 – S 0333/23/10001 :001, veröffentlicht auf der Homepage des BMF (il)

Änderung des AEAO

Das BMF hat den AEAO an das MoPeG und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz angepasst (BMF, Schreiben v. 25.03.2024 – IV D 1 – S 0062/23/10005 :002).

Änderungen haben sich in den Regelungen zu

  • § 14a AO,
  • § 122 AO sowie
  • § 352 AO

ergeben.

Quelle: BMF, Schreiben v. 25.03.2024 – IV D 1 – S 0062/23/10005 :002, veröffentlicht auf der Homepage des BMF (il)

Steuerverwaltung: Positivlisten veröffentlicht

Das BMF hat die aktuellen Positivlisten der BMF-Schreiben sowie der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, die bis zum 14.03.2024 ergangen sind, veröffentlicht (BMF, Schreiben v. 15.03.2024 – IV A 2 – O 2000/23/10003 :005).

Die

  • gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (Stand: 14.03.2024) sowie die
  • gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 10.03.2023 (BStBl I S. 406) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.03.2023 (BStBl I S. 407) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (Stand: 14.03.2024)

sind auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Energiepreispauschale durch Abgabe der Einkommensteuererklärung

Eine vom Arbeit­geber nicht ausge­zahlte Energie­preis­pauschale ist vom Arbeit­nehmer nicht gegen­über dem Arbeit­geber, sondern im Rahmen des Veran­lagungs­verfah­rens für 2022 durch Ab­gabe einer Ein­kom­men­steuer­erklä­rung geltend zu machen. Kommt das Finanz­amt der Fest­setzung der Energie­preis­pauschale nicht nach, kann diese nach Durch­führung eines Vor­verfah­rens vor dem Finanz­gericht erstrit­ten werden (BFH, Beschluss v. 29.02.2024 – VI S 24/23; veröf­fent­licht am 21.03.2024).

Bewertung: Anpassung des Bodenrichtwerts

Ein Bodenrichtwert, für den der Gutachterausschuss eine Geschossflächenzahl angegeben hat, kann im Rahmen einer Bedarfsbewertung nach den § 189 BewG und § 179 BewG nur dann an eine vom Bodenrichtwertgrundstück abweichende Geschossflächenzahl angepasst werden, wenn das zu bewertende Grundstück am Bewertungsstichtag auch tatsächlich mit dieser Geschossflächenzahl rechtlich zulässig hätte bebaut werden können (FG München, Urteil v. 07.02.2024 – 4 K 1385/23; Revision zugelassen).

Buchführung: Mindestaufzeichnungen für Taxi- und Mietwagenunternehmen

Das BMF hat die wesentlichen Anforderungen und bestehenden branchenüblichen Mindestaufzeichnungen für Taxi- und Mietwagenunternehmen zusammengefasst (BMF, Schreiben v. 11.03.2024 – IV D 2 – S 0316-a/21/10006 :008).

Hierzu führt das BMF u. a. weiter aus:

  • In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an elektronische Aufzeichnungssysteme im Hinblick auf die steuerliche Ordnungsmäßigkeit der mit ihnen geführten Bücher und sonst erforderlichen Aufzeichnungen verändert.
  • Die Veränderungen betreffen auch Taxi- und Mietwagenunternehmen und die in diesen Unternehmen insbesondere eingesetzten Taxameter und Wegstreckenzähler.
  • Mit dem BMF-Schreiben sollen die wesentlichen Anforderungen und bestehenden branchenüblichen Mindestaufzeichnungen für diese Unternehmen zusammengefasst werden.
  • Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen bleiben hiervon unberührt.
  • Darüber hinaus wird mit diesem BMF-Schreiben der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 146a Absatz 1 Satz 1 AO i.V.m. § 8 KassenSichV für Wegstreckenzähler festgelegt (§ 10 Satz 2 KassenSichV), s. hierzu III. 2. des Schreibens).

Hinweis:

Der Volltext des Schreibens ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

Bundesrat stimmt Wachstumschancengesetz zu

Der Bundesrat hat am 22.03.2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21.02.2024 (BT-Drucks. 20/10410) bestätigt.

Auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurden zahlreiche Änderungen am Gesetz vorgenommen, darunter:

  • Einführung einer degressiven Abschreibung auf Abnutzung (AfA) für Wohngebäude in Höhe von 5 Prozent,
  • Einführung einer degressiven AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter für 9 Monate,
  • auf vier Jahre befristete Anhebung des Verlustvortrags auf 70 Prozent (ohne Gewerbesteuer) sowie
  • Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung.

Das Gesetz hat zum Ziel, mit steuerlichen Investitionsanreizen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken und soll in der geänderten Fassung zu Entlastungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro führen.

Das Wachstumschancengesetz war 17.11.2023 vom Bundestag verabschiedet worden. Am 24.11.2023 hatte der Bundesrat zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Nachdem Bundestag und Bundesrat dem Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses nun zugestimmt haben, kann es nach Ausfertigung und Verkündung in Kraft treten.

Buchführung: BMF-Schreiben zu den GoBD veröffentlicht

Insbesondere aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts ergibt sich an verschiedenen Stellen Änderungsbedarf bei den GoBD (BMF, Schreiben v. 11.03.2024 – IV D 2 – S 0316/21/10001 :002).

Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) sehen vor, dass im Rahmen einer Außenprüfung auf Verlangen der Finanzverwaltung – neben den aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten – auch alle zur Auswertung der Daten notwendigen Strukturinformationen in maschinell auswertbarer Form durch das geprüfte Unternehmen bereitgestellt werden.

Da gerade die Datenüberlassung dem geprüften Unternehmen erhebliche Probleme bereiten kann, werden Informationen zur Datenüberlassung mit diesem Schreiben als Hilfe bereitgestellt und ersetzt gleichzeitig das BMF-Schreiben v. 28. November 2019.

Quelle: BMF, Schreiben v. 11.03.2024 – IV D 2 – S 0316/21/10001 :002 (GR)

Was vom Wachstumschancengesetz übrigbleibt

Der Bundesrat hat am 22.03.2024 dem sog. Wachstumschancengesetz zugestimmt. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sind zahlreiche ursprünglich geplante Maßnahmen entfallen. Der DStV gibt einen Überblick, welche Regelungen noch übrig sind.

Hierzu führt der DStV weiter aus:

  • Wie schon das „Strucksche Gesetz“ besagt: Es verlässt kein Gesetz den Bundestag so, wie es hineinkommt. So auch beim Wachstumschancengesetz. Die für den Berufsstand sicher wichtigste Nachricht: Die Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen ist erstmal vom Tisch – sie ist aus dem Gesetzentwurf ausgehend von der Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der von der Union geführten Finanzministerien im Vermittlungsausschuss rausgeflogen. Das fortwährende Engagement des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. hat sich ausgezahlt (vgl. auch DStV-Info v. 12.02.2024).
  • Überhaupt hat das Wachstumschancengesetz im Laufe des parlamentarischen Verfahrens und zuletzt im Vermittlungsausschuss einige Änderungen erfahren. Die befristete Einführung der degressiven AfA, die steuerlichen Sonderregelungen zur privaten Nutzung von Elektrofahrzeugen sowie Anpassungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung sind hier nur drei Beispiele.
  • Für einen besseren Überblick zum finalen Wachstumschancengesetz hat der DStV folgende Übersicht über die wichtigsten Neuerungen erstellt: Das Wachstumschancengesetz auf einen Blick