Vereinbarkeit der Abgeltungsteuer

Das FG Niedersachsen hat seinen Vorlagebeschluss an das BVerfG v. 18.03.2022, mit dem es die Vereinbarkeit der Abgeltungsteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG klären lassen wollte, aufgehoben, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (FG Niedersachsen, Beschluss v. 10.08.2022 – 7 K 120/21).

Hintergrund und Sachverhalt: Mit Beschluss v. 18.03.2022 hat der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt, ob die in den § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG geregelte Abgeltungsteuer in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25 % mit abgeltender Wirkung vorsehen.

In dem Vorlageverfahren zugrundeliegenden Fall hatte sich der Kläger eigentlich dagegen gewehrt, dass das beklagte Finanzamt Provisionseinnahmen steuerlich ihm und nicht einem Dritten zugerechnet hatte. Außerdem begehrte er den bisher nicht erfolgten Ansatz des Sparer-Pauschbetrages bei seinen Kapitaleinkünften.

Der 7. Senat folgte dem Kläger in beiden Punkten, war aber davon überzeugt, dass der auf die Kapitaleinkünfte anzuwendende (abgeltende) Sondersteuersatz von 25 % verfassungswidrig ist und war daher verpflichtet, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das dortige Normenkontrollverfahren wird unter dem Aktenzeichen 2 BvL 6/22 geführt.

Hinzuschätzungen bei einer GmbH: Mittelherkunft bei Ihrem Gesellschafter

Verdeckte Bareinlagen können nicht allein deshalb zu Hinzuschätzungen von Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft führen, wenn die Mittelherkunft beim Gesellschafter nicht aufklärbar ist (FG Münster, Urteil v. 18.05.2022 – 10 K 261/17 K,U; Revision zugelassen).

Gebühr bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft

Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist (BFH, Urteil v. 04.05.2022 – I R 46/18; veröffentlicht am 25.08.2022).

Hintergrund: Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 AO wird für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr erhoben. § 89 Abs. 7 Satz 1 AO bestimmt, dass auf die Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden „kann“, wenn ihre Erhebung nach der Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO „kann“ die Gebühr insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

Grundsteuer: weitere Elster-Ausfüllhilfen

Das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg hat das Informationsangebot für das Portal „Mein ELSTER“ nochmals erweitert, um die Bürgerinnen und Bürger bei der elektronischen Abgabe der Grundsteuererklärung zu unterstützen.

So gibt es neben der Schritt-für-Schritt-Gesamtanleitung nun auch Erläuterungen zu Fallkonstellationen, die im Zusammenhang mit dem Grundvermögen häufig auftreten:

  • Ich bin Alleineigentümer eines Einfamilienhauses
  • Meine Frau / Mein Mann und ich sind Eigentümer eines Einfamilienhauses
  • Meine Geschwister und ich haben ein Haus geerbt
  • Ich bin Alleineigentümer einer Eigentumswohnung mit (Tief-)Garagenstellplatz
  • Meine Frau / Mein Mann und ich sind Eigentümer eines Reihenhauses

In den Erläuterungen wird dargestellt, welche Eingaben genau für den jeweiligen Fall in der Feststellungserklärung einzutragen sind.

Hinweis:

Alle Anleitungen sind auf der zentralen Internetseite www.grundsteuer-bw.de unter dem Reiter „ELSTER Ausfüllhilfen“ abrufbar.

Darüber hinaus steht die Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erklärung des Grundvermögens auch „verfilmt“ zur Verfügung. Zu finden ist der Videoclip ebenfalls unter www.grundsteuer-bw.de.

Langfristig kapitalgedeckter Vermögensaufbau in der Altersvorsorge

Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat beim BMF hat am 17.08.2022 seine aktuelle Stellungnahme zum langfristigen kapitalgedeckten Vermögensaufbau in der Altersvorsorge vorgelegt.

Vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag verankerten Reformvorschlags zum Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung und den Prüfaufträgen zur Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge hat sich der Beirat mit dem Thema befasst und eine Reihe von Maßnahmen diskutiert, um eine auskömmliche Alterssicherung durch Kapitaldeckung zukunftssicher zu gestalten.

Er kommt in seiner Stellungnahme u.a. zu folgenden Empfehlungen:

  • Der Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung kann dazu beitragen, die sozialen Alterssicherungssysteme zukunftssicherer zu gestalten.
  • Die freiwillige Riester-Rente sollte in Richtung eines kapitalgedeckten Systems mit verpflichtendem Beitrag reformiert werden.
  • Der Staat könnte ein breit gestreutes Anlageprodukt anbieten, das in seinen Anlagen den Grundsätzen der modernen Portfoliotheorie folgt.
  • Es sollte dabei die Möglichkeit des Opt-out in eine begrenzte Zahl von zertifizierten, ähnlich breit gestreuten Anlageprodukten geben, die transparent ihre Gebühren ausweisen.
  • Es sei zu prüfen, ob das kapitalgedeckte System durch eine mit den Fiskalregeln kompatible öffentliche Schuldenfinanzierung ausgebaut werden sollte.

Versicherungsschutz in Leasing-Fällen

Das Finanzministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat sich zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Verschaffung von Versicherungsschutz für ein Leasingobjekt geäußert (Finanzministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern v. 25.05.2022 – S 7163-00000-2017/001-002).

Hintergrund: Zu den BMF-Schreiben vom 11.05.2021, BStBl 2021 I S. 781, vom 18.6.2021, BStBl 2021 I S. 871, und vom 18.10.2021, BStBl 2021 I S. 2142, zu Garantiezusagen eines Kfz-Händlers als Versicherungsleistung ist die Frage aufgekommen, ob sich die mit den genannten BMF-Schreiben einhergehenden Änderungen auch auf Leasing-Fälle auswirken.

Nach Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene soll Folgendes gelten:

  • Die Verschaffung von Versicherungsschutz für ein Leasingobjekt und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung sind umsatzsteuerlich als eigenständige Leistungen anzusehen.
  • Versichert der Leasinggeber das Leasingobjekt in diesen Fällen selbst und stellt er die Kosten der Versicherung dem Leasingnehmer gesondert in Rechnung, verschafft der Leasinggeber dem Leasingnehmer Versicherungsschutz. Diese Leistung ist unter den weiteren Voraussetzungen des Abschn. 4.10.2 UStAE nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei.

Einkommensteuerbescheide in die Schweiz

Eine Zustellung von Einkommen­steuer­bescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Steuer­pflichtigen unmittelbar durch die Post ist völkerrechtlich erstmals für Besteuerungs­zeiträume ab dem 01.01.2018 zulässig (BFH, Urteil v. Urteil vom 08.03.2022 – VI R 37/19; veröffentlicht am 18.08.2022). Gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Fall des § 9 VwZG (Zustellung im Ausland) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kommt nur als letztes Mittel in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, den Verwaltungsakt dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (u.a. BFH, Urteil v. 09.12.2009 – X R 54/06, BStBl II 2010, 732).

Haftung für Lohnsteuer des angestellten Geschäftsführers

Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungs­schulden sind auch insoweit als Werbungs­kosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen (BFH, Urteil v. 08.03.2022 – VI R 19/20; veröffentlicht am 18.08.2022).

Die Hilfen aus dem Steuerentlastungsgesetz 2022 im Überblick

Mit den folgenden Maßnahmen will der Gesetzgeber einen gewissen Ausgleich für den enormen Preisanstieg schaffen, den die Bevölkerung derzeit zu tragen hat:

  • Energiepreispauschale
  • Kinderbonus
  • höhere Entfernungspauschale
  • höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag
  • höherer Grundfreibetrag
  • rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs 2022

Nachfolgend eine kurze Erläuterung der einzelnen Maßnahmen:
Energiepreispauschale

Die Energiepreispauschale (EPP) beträgt einmalig 300 €. Anspruch darauf haben aktiv tätige Erwerbspersonen, also unbeschränkt Steuerpflichtige, die im Jahr 2022 Gewinneinkünfte oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen. Der Anspruch entsteht am 01.09.2022 und wird grundsätzlich durch Festsetzung in der Einkommensteuerveranlagung umgesetzt. Abweichend davon erhalten Arbeitnehmer die EPP vom Arbeitgeber ausgezahlt, wenn der Arbeitnehmer im September beschäftigt ist und der Arbeitgeber eine entsprechende Lohnsteuer-Anmeldung abgibt.

Die Arbeitgeber haben dazu die EPP gesondert vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer zu ermitteln, die bei monatlichem Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum bis zum 10.09.2022, bei Anmeldung im Kalendervierteljahr bis zum 10.10.2022 und bei einer Jahresmeldung bis zum 10.01.2023 anzumelden und abzuführen ist. Falls die insgesamt zu gewährende EPP höher als die abzuführende Lohnsteuer ist, wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber vom zuständigen Finanzamt (FA) erstattet. Bei einer quartalsweisen Lohnsteuermeldung kann der Arbeitgeber die EPP im Oktober 2022 auszahlen und bei einer Jahresmeldung auf die Auszahlung verzichten. Im letzteren Fall müssen die Arbeitnehmer die Pauschale im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung 2022 gegenüber dem FA geltend machen.

Bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften, für die die Einkommensteuer-Vorauszahlung auch für das dritte Quartal 2022 festgesetzt wurde, wird diese Festsetzung seitens des FA um die EPP gemindert neu festgesetzt.

Die EPP ist einkommensteuerpflichtig, sie fällt bei Angestellten einschließlich geringfügig Beschäftigter unter den Begriff „Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit“. Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften erzielen mit der EPP sonstige Einkünfte. Allerdings ist die EPP bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Andere Personengruppen (z.B. Rentner) erhalten die EPP nicht.

Kinderbonus

Familien erhalten für jedes Kind, ergänzend zum Kindergeld, einen Einmalbonus i.H.v. 100 € von der Familienkasse ausgezahlt, soweit für das Kind im Juli 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Für andere Kinder wird dieser Bonus gezahlt, wenn für sie zu irgendeinem Zeitpunkt im Jahr 2022 ein Kindergeldanspruch besteht. Die Zahlungen sollen ab Juli 2022 erfolgen. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.

Höhere Entfernungspauschale

Die eigentlich ab 01.01.2024 vorgesehene Erhöhung der Pauschale für Fernpendler und Steuerpflichtige mit doppelter Haushaltsführung ab dem 21. Entfernungskilometer gilt rückwirkend bereits ab dem 01.01.2022 und beträgt 0,38 €. Die Erhöhung ab dem 21. Entfernungskilometer gilt bis einschließlich 2026. Für die ersten 20 Kilometer bleibt die Pauschale unverändert bei 0,30 €.

Höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird rückwirkend zum Jahresbeginn 2022 von 1.000 € auf 1.200 € angehoben.

Höherer Grundfreibetrag

Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer wird rückwirkend zum 01.01.2022 von 9.984 € auf 10.347 € erhöht. Eine entsprechende Anhebung des Höchstbetrags für den Abzug von Unterhaltsleistungen ist bisher unterblieben.

Rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs 2022

Da sich die Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags unmittelbar auf die Höhe von Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer auswirkt, ist der bisher im Jahr 2022 vorgenommene Lohnsteuerabzug vom Arbeitgeber grundsätzlich neu zu berechnen. Eine Anpassung des ermittelten Faktors bei der Lohnsteuer soll nach Ansicht der Finanzverwaltung unterbleiben.

Sachverständiger Dritter als Kassenprüfer

Von einer unmittelbaren Auftragserteilung durch die Insolvenzmasse ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Insolvenzverwalter in die Beauftragung eines Kassenprüfers eingebunden ist, indem er dem Gläubigerausschuss den Prüfer vorschlägt und dem Prüfer den Beschluss des Gläubigerausschusses über dessen Beauftragung übermittelt (BFH, Urteil v. 21.04.2022 – V R 18/19; veröffentlicht am 18.08.2022).