BFH: Gewerbesteueranrechnung

  1. Für die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) ist bei Mitunternehmerschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder bei KGaA im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG der Betrag des Gewerbesteuermessbetrages, die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer und der auf die einzelnen Mitunternehmer oder auf die persönlich haftenden Gesellschafter (phG) entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 EStG). Auch wenn der dazu in § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG für den Anteil am Gewerbesteuermessbetrag ange­führte Aufteilungsmaßstab des „allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels“ nach dem Gesetzeswortlaut nur auf „Mitunternehmer“ bezogen wird, gilt er auch für die phG einer KGaA.
  2. Bei einer rechtsformspezifischen Auslegung dieses Begriffs ist der bei der körperschaftsteuerrechtlichen Ermittlung des Einkommens der KGaA abziehba­re „Teil des Gewinns“, der an phG „als Vergütung (Tantieme) für die Ge­schäftsführung verteilt wird“ (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergeset­zes) und der zu den gewerblichen Einkünften der phG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 EStG) führt, Gegenstand dieses Aufteilungsmaßstabs.

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2, § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 KStG § 9 Abs. 1 Nr. 1

International tätige Freiberufler-Personengesellschaften

  1. Im Anwendungsbereich des DBA-USA 1989/2008 richtet sich die Zuordnung von Gewinnen einer Freiberufler-Personengesellschaft grundsätzlich nach dem allgemeinen „Betriebsstättenmodell“ (zur Zuordnung nach dem „Ausübungs­modell“ auf Grundlage des im DBA-USA 1989/2008 aufgehobenen Art. 14 DBA-USA 1989 vgl. Senatsurteil vom 25.11.2015 ‑ I R 50/14, BFHE 253, 52, BStBl II 2017, 247 = SIS 16 07 84).
  2. Bestätigung der ständigen Rechtsprechung, dass Doppelbesteuerungs­abkommen statisch und nicht dynamisch auszulegen sind (a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.04.2023, BStBl I 2023, 630 = SIS 23 06 22).
  3. Ein Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode („switch-over“) nach Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Variante 3 DBA-USA 1989/2008 scheidet aus, wenn das innerstaatliche Recht der USA die Nichtbesteuerung nur für ei­nen Teilbetrag des einheitlichen Gewinnanteils vorsieht (hier: „guaranteed payments“ für nicht in den USA ansässige Partner, soweit sie dort nicht höchstpersönlich tätig geworden sind).

DBA-USA 1989/2008 Art. 7, Art. 23 Abs. 4 Buchst. B WÜRV Art. 31 Abs. 3 GG Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 59 Abs. 2 Satz 1 EStG § 50d Abs. 9 Satz 1 AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 1 FGO § 60 Abs. 3 Satz 1, § 68 Satz 1

BFH: Ursächlichkeit der Behinderung bei einem Kind

  1. Eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt genügt für den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes auch dann, wenn es nach § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB) in einem psychiatrischen Kranken­haus untergebracht ist (Abgrenzung zum Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014 = SIS 14 16 43).
  2. Die Entscheidung, ob eine erhebliche Mitursächlichkeit vorliegt, hat das Fi­nanzgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfal­les zu treffen, die vom BFH nur eingeschränkt überprüfbar ist.
  3. Indizien für eine fortwirkende erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt können sich aus dem Straf- bezie­hungsweise Sicherungsverfahren ergeben. Zu berücksichtigen sein kann na­mentlich, dass eine seelische Erkrankung des Kindes, welche zugleich die vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Behinderung darstellt, dazu geführt hat, dass dem Kind wegen der von ihm begangenen rechtswidrigen Taten kein Schuldvorwurf gemacht werden kann (§ 20 StGB).

EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 StGB § 20, § 63 StPO § 126a, §§ 413 ff.

BFH: Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuerbescheids bei Formwechsel

Wird eine KG formwechselnd in eine GmbH umgewandelt, ist ein nach dem Formwechsel noch an die KG adressierter Grunderwerbsteuerbescheid wirk­sam. Bei einem Formwechsel ändert sich nur die Rechtsform, während die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft unverändert bleibt. Bei einer falschen Adressierung handelt es sich allenfalls um die unrichtige Be­zeichnung ein und derselben Rechtsperson.

Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers für erweiterte Führungszeugnisse

Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Beschäftigten für die Erteilung erweiterter Führungszeugnisse, zu deren Einholung der Arbeitge­ber zum Zwecke der Prävention gegen sexualisierte Gewalt kirchenrechtlich verpflichtet ist, führen nicht zu Arbeitslohn.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3 Satz 2, § 40 Abs. 1 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

BFH-Urteil vom 08.02.2024, VI R 10/22 (veröffentlicht am 10.05.2024)

Zulässigkeit eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach der Familienkasse übermittelten Kindergeldantrags

  1. § 67 Satz 1 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (i.d.F. des Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familien­leistungen) begründet keine Sperrwirkung dahingehend, dass ein elektroni­scher Kindergeldantrag nur noch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle zulässig ist.
  2. Hat die Familienkasse einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente über das besondere elektronische Behördenpostfach eröffnet, kann darüber ein elektronischer Kindergeldantrag auch ohne Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes formwirksam gestellt werden.

EStG § 67 Satz 1 AO § 87a Abs. 1 Satz 1 FGO § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 3, § 135, § 136, § 143 EGovG § 1, § 2 ERVV § 6 Abs. 2 RAVPV § 19

Umgekehrte Betriebsaufspaltung und erweiterte Kürzung

  1. Aus einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesell­schaft nicht abgeleitet werden.
  2. Das Durchgriffsverbot gilt bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesell­schaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesell­schaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft (Abgren­zung zu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.09.2021 ‑ IV R 7/18, BFHE 274, 218, BStBl II 2022, 767 = SIS 22 00 92).

GewStG i.d.F. vom 25.07.2014 § 9 Nr. 1 Satz 2

Ergebniskonsolidierung im Jahr der Verschmelzung

Wird eine Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft ver­schmolzen, kann der von der übernehmenden Personengesellschaft bis zum (zurückbezogenen) steuerlichen Übertragungsstichtag erzielte Gewinn nicht mit dem (laufenden) Verlust verrechnet werden, den die übertragende Perso­nengesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt erlitten hat.

UmwStG § 2 Abs. 4, § 20 Abs. 5, Abs. 6, § 24 Abs. 4

Sachverständige Schätzung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach Maßgabe der betreffenden ImmoWertV

  1. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteu­ergesetzes (EStG) jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint (Anschluss an Senatsurteil vom 28.07.2021 ‑ IX R 25/19 = SIS 21 19 31, Rz 19; z.T. entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.02.2023, BStBl I 2023, 332 = SIS 23 02 96, Rz 24).
  2. Der schlichte Verweis durch den Steuerpflichtigen auf die modellhaft ermit­telte Gesamt- und Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach Maßgabe der be­treffenden Immobilienwertermittlungsverordnung genügt nicht, um eine kür­zere tatsächliche Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG darzu­legen und nachzuweisen.
  3. Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchs­rechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt.

EStG § 7 Abs. 1, § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2; EStDV § 11c Abs. 1 Satz 1; ImmoWertV 2010 § 6 Abs. 6; ImmoWertV 2021 § 4 Abs. 3 Satz 2; HGB § 255 Abs. 1; BGB § 889

BFH-Urteil vom 23.01.2024, IX R 14/23 (veröffentlicht am 10.05.2024)

Aufwendungen für PID mit nachfolgender künstlicher Befruchtung

  1. Aufwendungen einer gesunden Steuerpflichtigen für eine Präimplantations­diagnostik (PID) mit nachfolgender künstlicher Befruchtung aufgrund einer Krankheit ihres Partners können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein.
  2. Die Abziehbarkeit schließt auch diejenigen ‑‑aufgrund untrennbarer biologi­scher Zusammenhänge erforderlichen‑‑ Behandlungsschritte mit ein, die am Körper der nicht erkrankten Steuerpflichtigen vorgenommen werden.
  3. Der Abziehbarkeit steht es dann nicht entgegen, dass die Partner nicht mit­einander verheiratet sind.

EStG § 33; ESchG § 3a

BFH-Urteil vom 29.02.2024, VI R 2/22 (veröffentlicht am 10.05.2024)