Verfahrensrecht: Elektronische Dokumente bei Rechtsanwaltsgesellschaft

Die Erhebung einer Klage beim FG durch einen Rechtsanwalt ist ab dem 01.01.2022 unzulässig, wenn sie nicht als elektronisches Dokument in der Form des § 52a FGO übermittelt wird. Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit der Klage, die Prozesserklärung ist nicht wirksam (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 06.07.2022 – 9 K 9009/22; Revision zugelassen).
Hintergrund: Gemäß § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.
Sachverhalt: Der Kläger wurde mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Nach Zurückweisung des Einspruchs hat die Klägervertreterin – eine Rechtsanwaltsgesellschaft – im Januar 2022 innerhalb der Rechtsmittelfrist Klage per Telefax erhoben.
Das FG Berlin-Brandenburg wies die Klage als unzulässig zurück:

• Die Klage ist unzulässig, da sie nicht in der gemäß § 52d FGO vorgesehen Form als elektronisches Dokument eingereicht worden ist.
• Die für Rechtsanwälte bestehende Übermittlungspflicht im Sinne des § 52d Satz 1 FGO gilt nach Auffassung des Senats schon seit dem 1.1.2022 auch für Rechtsanwaltsgesellschaften.
• Dafür spricht insbesondere auch der systematische Vergleich mit § 130d Satz 1 ZPO und § 78 ZPO.
• § 130d Satz 1 ZPO ist wortgleich zu § 52d Satz 1 FGO. Eine vergleichbare Regelung wie in § 52d Satz 2 FGO, § 46g Satz 2 ArbGG, § 65d Satz 2 SGG und 55d Satz 2 VwGO enthält § 130d ZPO nicht.
• Nach Auffassung des Senats unterliegen Rechtsanwaltsgesellschaften der Übermittlungspflicht nach § 130d Satz 1 ZPO. Dies folgt aus § 59l Satz 2 BRAO, wonach eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte die Pflichten eines Rechtsanwalts hat. Die ZPO differenziert grundsätzlich nicht zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwaltsgesellschaften, und auch § 78 ZPO führt im Gegensatz zu § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 3 StBerG die Rechtsanwaltsgesellschaft nicht separat auf.
• Der Umstand, dass es für Rechtsanwaltsgesellschaften im Zeitpunkt der Klage noch kein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach gab, führt nicht dazu, dass sie von der Verpflichtung zur Übermittlung elektronischer Dokumente befreit sind.

Corona: Keine Rückforderung von Corona-Soforthilfen

Neben dem Verwaltungsgericht (VG) Köln und dem VG Düsseldorf hat auch das VG Gelsenkirchen in zwei Verfahren die Rückforderung von Corona-Soforthilfen durch das Land NRW für rechtswidrig erachtet (VG Gelsenkirchen, Urteile v. 23.09.2022 – 19 K 297/22 und 19 K 317/22; nicht rechtskräftig).
Sachverhalt: Als Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 und den hiermit einhergehenden Beschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens legte die damalige Landesregierung ein Hilfsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freiberufler und Solo-Selbstständige auf. Ab dem 27.03.2020 konnte jeder von den Pandemiebeschränkungen betroffene Angehörige des genannten Personenkreises unter Verwendung eines im Internet bereitgestellten Antragsformulars eine entsprechende Soforthilfe beantragen. Die hierfür zuständigen Bezirksregierungen bewilligten die Soforthilfen umgehend und zahlten diese in Abhängigkeit von der Beschäftigtenanzahl des jeweiligen Antragstellers in Höhe von 9.000, 15.000 oder 25.000 Euro aus.
Ab der zweiten Jahreshälfte 2020 forderte das beklagte Land aufgrund einer Ende Mai veröffentlichten Soforthilfe-Richtlinie sämtliche Hilfeempfänger im Rahmen eines sog. Rückmeldeverfahrens auf, ihre Einnahmen und Ausgaben während des Bewilligungszeitraums mittels eines Online-Formulars mitzuteilen. Anhand dieser Angaben ermittelten die Bezirksregierungen den jeweiligen „Liquiditätsengpass“ des Hilfeempfängers als Differenz aus Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum. Nur in Höhe dieses Liquiditätsengpasses dürften die Hilfeempfänger die Soforthilfe nach seiner Auffassung behalten. Die übrigen zu viel gezahlten Mittel forderte das beklagte Land mittels sogenannter Schlussbescheide zurück.
In beiden Verfahren hat die Kammer den Klagen stattgegeben und die Schlussbescheide aufgehoben:
Die ursprünglichen Bewilligungen haben nicht unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit, d.h. einer endgültigen Schlussabrechnung gestanden.
Weder der Bewilligungsbescheid noch das Antragsformular noch die im Internet durch das Land veröffentlichten „FAQ“ haben den Vorbehalt erkennen lassen.
Der Hinweis des Landes auf seine Ende Mai erlassene Soforthilferichtlinie geht fehl, weil diese erst deutlich nach der Bewilligung veröffentlicht wurde.
Bei der Endabrechnung durfte das Land außerdem nicht ausschließlich auf einen Liquiditätsengpass abstellen, weil die Soforthilfen nach den Bewilligungsbescheiden auch zur Kompensation von Umsatzeinbußen hätten eingesetzt werden dürfen.

Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld

Die Bundesregierung möchte den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Mitte nächsten Jahres weiter über Verordnungsermächtigungen verlängern können. Dazu hat sie nun einen entsprechenden Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung der Verordnungsermächtigungen beim Kurzarbeitergeld und anderer Regelungen“ (BT-Drucks. 20/3494) vorgelegt.
Hintergrund: Der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld war im Rahmen der Corona-Pandemie beschlossen und zuletzt über Verordnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mehrfach verlängert worden.
Das nun geplante Gesetz soll es der Regierung ermöglichen, auch über den 30.09.2022 hinaus die Möglichkeit zu haben, Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld durch Verordnung zu erlassen.
Darüber hinaus sollen die Verordnungsermächtigungen ausgeweitet werden, um für die Bundesagentur für Arbeit Vereinfachungen bei den Prüfungen der Anspruchsvoraussetzungen des Kurzarbeitergeldes zu ermöglichen (Möglichkeit des Verzichts auf den Einsatz von Arbeitszeitguthaben und Urlaub zur Vermeidung der Kurzarbeit sowie Möglichkeit für die Betriebe, die Anzeige von Kurzarbeit auch im Folgemonat noch vornehmen zu können).
Für die pandemiebedingte Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdiensts durch Aufnahme eines Minijobs während der Kurzarbeit soll eine bis zum 30.06.2023 befristete Verordnungsermächtigung geschaffen werden.
Zudem soll die Verordnungsermächtigung zur Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in § 11a AÜG bis Mitte 2023 verlängert werden.

Berücksichtigung gezahlter Prämien für Glattstellungsgeschäfte

Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) die Einnahmen in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden. Es handelt sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (BFH, Urteil v. 02.08.2022 – VIII R 27/21; veröffentlicht am 29.09.2022).

Vorsicht Falle: Betrugs-SMS „Steuer-Guthaben“

Derzeit versenden Betrüger SMS im Namen des BMF. In den SMS wird vorgegeben, den Empfänger erwarte ein Erstattungsbetrag in Höhe von 254,33 Euro. Hierauf macht das Thüringer Finanzministerium aufmerksam.
Hierzu führt das Thüringer Finanzministerium weiter aus:
In den SMS behaupten die Betrüger, ein Erstattungsbetrag in Höhe von 254,33 Euro warte noch auf die Steuerpflichtigen. Um diesen zu erhalten, sollen sich die Bürgerinnen und Bürger unter einem in der SMS angegebenen Link verifizieren. Durch das Finanzamt Jena sind heute bereits mehrere Fälle geschildert worden.
Die Finanzverwaltung warnt eindringlich davor, die per SMS geforderte Verifizierung durchzuführen.

Verfahrensrecht: Beginn einer Außenprüfung

Das Anfordern von Unterlagen kann eine Prüfungshandlung darstellen, durch die eine den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmende Außenprüfung wirksam beginnt (FG Düsseldorf, Urteil v. 08.07.2022- 1 K 472/22 U; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig, BFH-Az. V B 75/22).

Häusliches Arbeitszimmer eines Gutachters

Das FG Münster hat entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines u.a. von Gerichten beauftragten psychologischen Gutachters den Mittelpunkt dessen beruflicher Tätigkeit darstellen kann mit der Folge, dass die Aufwendungen unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig sind (FG Münster, Urteil v. 18.08.2022 – 8 K 3186/21 E).

Grundsteuerreform: Abgabe der Erklärung bei einer Erbengemeinschaft

Das Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz informiert über die Vorgehensweise bei der Abgabe der Feststellungserklärung bei Erbengemeinschaften.
Hierzu führt das LfSt Rheinland-Pfalz weiter aus
• Erbengemeinschaften sind sog. Gesamthandsgemeinschaften. Das bedeutet, mehrere Personen sind in diesem Fall gemeinsam Eigentümer von geerbtem Grundbesitz.
• Für die bis zum 31.10.2022 abzugebende Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts (Feststellungserklärung) müssen alle Erben gemeinsam eine Feststellungserklärung pro Aktenzeichen (unbebautes oder bebautes Grundstück oder land- und forstwirtschaftliche Fläche und Betrieb) abgeben. Ein Aktenzeichen kann dabei mehrere Grundstücke umfassen.
• Grundsätzlich ist die Erklärung in elektronischer Form, z.B. über ELSTER oder Software aus dem Handel, an das Finanzamt zu übermitteln. In Ausnahmefällen besteht auch die Möglichkeit zur Abgabe von Papiervordrucken. Diese sind auf der Homepage unter www.lfst-rlp.de/service/vordrucke/grundsteuer eingestellt oder in den Finanzämtern erhältlich.
• Zur Übermittlung der Feststellungserklärung muss ein eigenständiges Aktenzeichen vorhanden sein. Dieses findet sich auf den Informationsschreiben zur Grundsteuerreform der rheinland-pfälzischen Steuerverwaltung.
• Die Schreiben sind als Service zwischen Mai und Ende August 2022 verschickt worden und enthalten wichtige Liegenschaftsdaten, die für die Erklärung benötigt werden.
• Im Falle von Erbengemeinschaften wurden diese Schreiben an einen der Erben adressiert, in der Regel der oder die jüngste Volljährige. Diese sollten sich mit den Miterben in Verbindung setzen und abklären, wer die gemeinsame Erklärung abgibt. In der Erklärung soll eine Person (in der Regel eine Erbin/ein Erbe) benannt werden, die alle weiteren Schreiben des Finanzamts für die Erbengemeinschaft in Empfang nimmt.
• In der Erklärung müssen die Erbanteile der einzelnen Erben nicht angegeben werden. Die Erklärung kann durch ein Mitglied der Erbengemeinschaft oder nahe Angehörige, die bereits über ein ELSTER-Benutzerkonto verfügen, übermittelt werden. Die Einrichtung eines neuen Benutzerkontos ist in diesem Fall nicht erforderlich.

FAQ zur Beantragung der A1-Bescheinigung

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) weist darauf hin, dass Papieranträge für die A1-Bescheinigung bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit nicht mehr zulässig sind und zurückgewiesen werden. Die DRV hat nähere Informationen zum Thema in einem Fragen-Antworten-Katalog zusammengestellt.
Hintergrund: Bei einem befristeten Auslandseinsatz innerhalb der EU oder in Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland wird in der Regel eine A1-Bescheinigung benötigt. Die A1-Bescheinigung dokumentiert in diesen Fällen, dass die im Ausland erwerbstätige Person weiter dem deutschen Recht unterliegt.
Seit Beginn des Jahres 2022 müssen alle Arbeitgeber und Dienstherren für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer und für verbeamtete Personen die A1-Bescheinigung elektronisch beantragen. Auch alle Selbständigen sind zur elektronischen Antragstellung verpflichtet.
Hierzu führt die DRV weiter aus:
• Papieranträge sind nicht mehr zulässig und werden von den Rentenversicherungsträgern zurückgewiesen.
• Für abhängig Beschäftigte kann die A1-Bescheinigung in der Regel aus dem jeweiligen Lohn- bzw. Entgeltabrechnungsprogramm mit dem Antrag „A1 – Antrag Entsendung“ beantragt werden. Für Selbständige kann die Bescheinigung ausschließlich über das Portal sv.net beantragt werden. Hier ist der Antrag „A1 – Antrag Entsendung Selbständige“ zu nutzen.
• Zu den Selbständigen zählen auch Personen mit leitender Tätigkeit wie beispielsweise mitarbeitende Gesellschafter oder Gesellschafter-Geschäftsführer. Wird für diesen Personenkreis fälschlicherweise der Antrag für abhängig Beschäftigte verwendet, muss der Rentenversicherungsträger den Antrag abweisen.

Anscheinsbeweis PKW-Nutzung

Der für die Privatnutzung eines betrieblichen PKW sprechende Anscheinsbeweis kann auch auf andere Weise als durch das Vorhandensein eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Pkw im Privatvermögen erschüttert werden (FG Münster, Urteil v. 16.08.2022 – 6 K 2688/19 E; Revision zugelassen).