Änderungen im Insolvenzrecht und Abschaffung des Güterrechtsregisters

Der Bundestag hat am 20.10.2022 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Güterrechtsregisters (BT-Drucks. 20/2730) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drucks. 20/4087) in 2./3. Lesung beschlossen.
Im parlamentarischen Verfahren wurde der Gesetzentwurf im federführenden Rechtsausschuss zuvor um sachfremde sanierungs- und insolvenzrechtliche Regelungen ergänzt, um auf die aktuelle Situation auf den Energie- und Rohstoffmärkte zu reagieren. Die Regelungen gehen zurück auf das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die bei den Amtsgerichten geführten Güterrechtsregister werden dem Gesetz zufolge abgeschafft. Die Register, „in die auf Antrag von Ehegatten Eintragungen über deren güterrechtliche Verhältnisse vorgenommen werden, sind weitgehend funktionslos geworden“, schreibt die Bundesregierung zur Begründung. Der Aufwand für die überwiegend in Papierform vorgenommene Führung der Register stehe in keinem Verhältnis mehr zu der „geringen rechtlichen und schwindenden praktischen Bedeutung“, heißt es weiter. Die Abschaffung diene damit dem Bürokratieabbau.
Zur Umsetzung werden die §§ 1558 bis 1563 BGB aufgehoben. „Mit Blick auf den Vertrauensschutz der Eingetragenen ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren ab der Abschaffung des Güterrechtsregisters vorgesehen, in der für Alteintragungen die Wirkung der Eintragung gegenüber Dritten nach dem geltenden § 1412 BGB in geänderter Fassung weiter gilt“, führt die Bundesregierung aus. Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung am 08.07.2022 beschlossen, keine Einwendungen gegen den Entwurf zu erheben.
Änderungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht
Die Änderungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht gehen zurück auf das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung. Diese hatte dazu eine Formulierungshilfe beschlossen, die von den Koalitionsfraktionen als Änderungsantrag im Rechtsausschuss eingebracht worden war. Die Koalition begründet ihren Vorschlag mit den derzeitigen „Verhältnissen und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten“. Diese belasteten nicht nur die finanzielle Situation von Unternehmen, sondern erschwerten auch deren vorausschauende Planung. „Das gilt auch für die Planungen, die das Insolvenzrecht den Geschäftsleitern haftungsbeschränkter Unternehmensträger durch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung (§ 15a Absatz 1 Satz 1 Alternative 2 InsO)) auferlegt“, hieß es im Änderungsantrag.
Vorgesehen ist daher unter anderem, den Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung von zwölf auf vier Monate und die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von sechs auf vier zu verkürzen. Zudem soll die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung von sechs auf acht Wochen hochgesetzt werden. Die Regelungen sollen bis zum 31.12.2023 gelten. Zur Begründung des verkürzten Prognosezeitraums wird in dem Antrag unter anderem angeführt, dass vermieden werden soll, dass Unternehmen „wegen dieser allgemeinen, alle Marktteilnehmer treffenden Unsicherheiten in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden“. Umgesetzt werden sollen diese Regelungen im bisherigen Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, das mit der Änderung zum Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz werden soll.

Ukraine-Krieg: Gewerbesteuerliche Maßnahmen

Das BMF hat die gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu gewerbesteuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine veröffentlicht (gleich lautende Erlasse v. 20.10.2022 – FM3-G 1460-1/5).
Zur angemessenen Berücksichtigung der besonderen Situation bei nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen gilt bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG) Folgendes:
Nach § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG kann auch das Finanzamt bei Kenntnis veränderter Verhältnisse hinsichtlich des Gewerbeertrags für den laufenden Erhebungszeitraum die Anpassung der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen veranlassen. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen das Finanzamt Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen anpasst (R 19.2 Abs. 1 Satz 5 GewStR). Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind bei bis zum 31.03.2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen zu stellen. Über Anträge auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Zwecke der Vorauszahlungen unter Einbeziehung der aktuellen Situation soll zeitnah entschieden werden. Auch eine rückwirkende Anpassung des Gewerbesteuermessbetrags für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich.
Nimmt das Finanzamt eine Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen vor, ist die betreffende Gemeinde hieran bei der Festsetzung ihrer Gewerbesteuer-Vorauszahlungen gebunden (§ 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG).
Für etwaige Stundungs- und Erlassanträge gilt auch im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang mit Auswirkungen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine, dass diese an die Gemeinden und nur dann an das zuständige Finanzamt zu richten sind, wenn die Festsetzung und die Erhebung der Gewerbesteuer nicht den Gemeinden übertragen worden ist (§ 1 GewStG und R 1.6 Abs. 1 GewStR).

An- und Verkauf von Waren über die Internetplattform „ebay“

Bundesfinanzhof, V-R-19/20
Pressemitteilung vom 10.11.2022
Pressemitteilung Nr. 54/2022
Pressetext:
Mit Urteil vom 12.05.2022 –

V R 19/20 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Verkäufer, der auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über „ebay“ veräußert, eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich eine unternehmerische steuerpflichtige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausübt.
Die Klägerin erwarb bei Haushaltsauflösungen Gegenstände und verkaufte diese über einen Zeitraum von fünf Jahren auf der Internet-Auktions-Plattform „ebay“ in ca. 3.000 Versteigerungen und erzielte daraus Einnahmen von ca. 380.000 €.
Der BFH hat unter Hinweis auf sein
Urteil vom 26.04.2012 – V R 2/11 entschieden, dass dies als nachhaltige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist. Der BFH hat in seiner Zurückverweisung dem Finanzgericht aber aufgegeben, bisher fehlende Feststellungen zur Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nachzuholen. Danach wird bei einem Wiederverkäufer, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert und an den diese Gegenstände – wie hier im Rahmen von privaten Haushaltsauflösungen – geliefert wurden, ohne dass dafür Umsatzsteuer geschuldet wurde, der Umsatz nicht nach dem Verkaufspreis, sondern nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt. Fehlende Aufzeichnungen über Einkäufe stehen nach dem Urteil des BFH der Differenzbesteuerung nicht zwingend entgegen, so dass dann zu schätzen sein kann. Ist auf dieser Grundlage die Differenzbesteuerung anzuwenden, kommt es zu einer erheblichen Minderung des Steueranspruchs.

Gesetzgebung: Zweiter Heizkostenzuschuss für bedürftige Haushalte

Der Bundestag hat am 20.10.2022 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes und des Elften Buches Sozialgesetzbuch (BT-Drucks. 20/3884) gebilligt. Zuvor hatte der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen noch Änderungen am Entwurf vorgenommen (BT-Drucks. 20/4097).
Wegen der im Jahr 2022 zu erwartenden Mehrbelastungen bei den Heizkosten will die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf einen zweiten Heizkostenzuschuss an bedürftige Haushalte auszahlen, die beim ersten Heizkostenzuschuss noch nicht berücksichtigt werden konnten. Vom zweiten Heizkostenzuschuss sollen der Regierung zufolge alle Haushalte profitieren, die in mindestens einem Monat im Zeitraum vom 01.09.2022 bis zum 31.12.2022 wohngeldberechtigt sind.
Sie sollen den Zuschuss gestaffelt nach Haushaltsgröße erhalten. Darüber hinaus sollen wie beim ersten Heizkostenzuschuss auch die Empfänger von Leistungen nach dem BAföG sowie von Ausbildungs- und Berufsausbildungsbeihilfen profitieren, wenn die Leistungsberechtigung für mindestens einen Monat im maßgeblichen Zeitraum von 01.09.2022 bis 31.12.2022 bestand. Für sie sieht die Bundesregierung einen pauschalen Zuschuss vor.
Das Gesetz sieht außerdem eine Konkretisierung des § 85 Abs. 7 SGB XI vor. Sie soll es den Leistungserbringern in der Pflege ermöglichen, zügig Verhandlungen mit den Pflegekassen aufzunehmen, wenn sich die Energiekosten in unvorhergesehenem Ausmaß ändern.
Laut einem Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, dem im Ausschuss für Wohnen zugestimmt wurde, wird im Gesetz nun klargestellt, was unter einer unvorhersehbaren Änderung der Energiekosten verstanden werden soll: zum einen eine „erhebliche Abweichung der tatsächlichen Bewohnerstruktur“, zum anderen eine „erhebliche Änderung der Energieaufwendungen“.

DSGVO: Information bei Löschung von Daten

Der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche ist verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Suchmaschinenanbieter über einen Löschungsantrag der betroffenen Person zu informieren
Europäischer Gerichtshof, C-129/21
Pressemitteilung vom 27.10.2022

Pressetext:
Der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche muss geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die anderen Verantwortlichen, die ihm diese Daten übermittelt haben bzw. denen er die Daten weitergeleitet hat, über den Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren. Stützen sich verschiedene Verantwortliche auf ein und dieselbe Einwilligung der betroffenen Person, genügt es, wenn sich diese Person an irgendeinen der Verantwortlichen wendet, um ihre Einwilligung zu widerrufen.
Proximus, ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten in Belgien, bietet auch Teilnehmerverzeichnisse und Telefonauskunftsdienste an. Die Verzeichnisse enthalten den Namen, die Adresse und die Telefonnummer der Teilnehmer der verschiedenen Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste. Diese Kontaktdaten werden von den Telefondienstanbietern an Proximus übermittelt, es sei denn, der Teilnehmer hat den Wunsch geäußert, nicht in die Verzeichnisse aufgenommen zu werden. Proximus leitet außerdem die Kontaktdaten, die sie erhält, an einen anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen weiter.
Telenet, ein belgischer Telefondienstanbieter, leitet die Kontaktdaten seiner Teilnehmer an Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, darunter Proximus, weiter. Einer dieser Teilnehmer forderte Proximus auf, seine Kontaktdaten in den von ihr und von Dritten herausgegebenen Teilnehmerverzeichnissen nicht aufzuführen. Daraufhin änderte Proximus den Status dieses Teilnehmers dahin gehend, dass seine Kontaktdaten nicht mehr zu veröffentlichen waren.
In der Folge erhielt Proximus jedoch von Telenet eine Aktualisierung der Daten des fraglichen Teilnehmers. Diese Daten waren nicht als vertraulich ausgewiesen. Sie wurden von Proximus nach einem automatisierten Verfahren verarbeitet und dergestalt registriert, dass sie erneut in ihren Teilnehmerverzeichnissen erschienen.
Auf die erneute Aufforderung des Teilnehmers hin, seine Daten nicht zu veröffentlichen, antwortete Proximus, dass sie die betreffenden Daten aus den Teilnehmerverzeichnissen gelöscht und Google kontaktiert habe, damit die maßgeblichen Links zur Website von Proximus entfernt würden. Proximus teilte dem fraglichen Teilnehmer außerdem mit, dass sie seine Kontaktdaten an andere Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen weitergeleitet habe, die dank der monatlichen Aktualisierungen über sein Begehren informiert worden seien.
Gleichzeitig legte der fragliche Teilnehmer bei der belgischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde ein. Die Streitsachenkammer dieser Behörde verpflichtete Proximus zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen und verhängte wegen Verstoßes gegen mehrere Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)[1] eine Geldbuße in Höhe von 20.000 Euro gegen sie.
Gegen diese Entscheidung legte Proximus beim Appellationshof Brüssel ein Rechtsmittel ein. Sie machte geltend, die Einwilligung des Teilnehmers sei für die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in Telefonverzeichnissen nicht erforderlich. Vielmehr müssten die Teilnehmer nach einem sogenannten „Opt-out“-System selbst beantragen, in den Teilnehmerverzeichnissen nicht aufgeführt zu werden. Solange kein solcher Antrag vorliege, dürfe der betreffende Teilnehmer in den Verzeichnissen aufgeführt werden.
Die Datenschutzbehörde vertrat eine gegenteilige Auffassung und machte geltend, dass nach der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation[2] die „Einwilligung der Teilnehmer“ im Sinne der DSGVO vorliegen müsse, damit die Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen ihre personenbezogenen Daten verarbeiten und übermitteln dürften.
Vor dem Hintergrund, dass der Widerruf dieser Willensäußerung bzw. „Einwilligung“ durch einen Teilnehmer nicht spezifisch geregelt ist, hat der Appellationshof Brüssel dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
In seinem heute verkündeten Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass die Einwilligung eines ordnungsgemäß unterrichteten Teilnehmers für die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in einem öffentlichen Teilnehmerverzeichnis erforderlich ist. Diese Einwilligung erstreckt sich auf jede weitere Verarbeitung der Daten durch dritte Unternehmen, die auf dem Markt für öffentlich zugängliche Telefonauskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse tätig sind, sofern diese Verarbeitung denselben Zweck verfolgt.
Die Einwilligung erfordert eine „in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene“ Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen „eindeutigen bestätigenden Handlung“, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Jedoch setzt eine solche Einwilligung nicht unbedingt voraus, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt ihrer Erteilung die Identität aller Anbieter von Verzeichnissen kennt, die ihre personenbezogenen Daten verarbeiten werden.
Der Gerichtshof weist außerdem darauf hin, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben müssen, die Löschung ihrer personenbezogenen Daten aus Teilnehmerverzeichnissen zu erwirken. Er befindet, dass der Antrag eines Teilnehmers auf Entfernung seiner Daten als Ausübung des „Rechts auf Löschung“ im Sinne der DSGVO[3] angesehen werden kann.
Sodann bestätigt der Gerichtshof, dass sich aus den in der DSGVO geregelten allgemeinen Verpflichtungen ergibt, dass ein für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher wie Proximus geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um die anderen Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen, denen er solche Daten geliefert hat, über den Widerruf der Einwilligung der betroffenen Person zu informieren. Ein solcher Verantwortlicher muss außerdem den Telefondienstanbieter, der ihm die personenbezogenen Daten übermittelt hat, informieren, damit dieser die Liste der personenbezogenen Daten, die er dem Anbieter von Teilnehmerverzeichnissen nach einem automatisierten Verfahren übermittelt, anpasst. Wenn sich nämlich, wie im vorliegenden Fall, verschiedene Verantwortliche auf eine einheitliche Einwilligung der betroffenen Person stützen, genügt es, dass sich die betroffene Person, um ihre Einwilligung zu widerrufen, an irgendeinen der Verantwortlichen wendet.
Abschließend befindet der Gerichtshof, dass ein Verantwortlicher wie Proximus nach der DSGVO angemessene Maßnahmen zu treffen hat, um Suchmaschinenanbieter über den bei ihm eingegangenen Antrag des Teilnehmers eines Telefondienstanbieters auf Löschung seiner personenbezogenen Daten zu informieren.

Kindergeld: Klagebefugnis nach Abhilfebescheid der Familienkasse

Setzt die Familienkasse in einem gegen einen Kindergeldaufhebungsbescheid gerichteten Klageverfahren Kindergeld für den vom Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erfassten Regelungszeitraum fest, wird dieser Änderungsbescheid gem. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens und lässt die Klagebefugnis entfallen (BFH, Urteil v. 22.9.2022 – III R 23/21; veröffentlicht am 03.11.2022).

Neufassung des AEAO zu § 233a (Zinsfestsetzung)

Bundesministerium der Finanzen, IV A 3 – S-0460a / 19 / 10012 :002
Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 03.11.2022

Fundstellen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in den Verfahren
1 BvR 2237/14 und
1 BvR 2422/17 mit am 18. August 2021 veröffentlichtem Beschluss vom 8. Juli 2021 (
BGBl 2021 I S. 4303) entschieden, dass § 233a in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird. Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber auch nicht die ausschließlich zugunsten der Steuerpflichtigen wirkenden Prozesszinsen nach § 236 AO und die Säumniszuschläge nach § 240 AO.
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 ist das bisherige Recht weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung). Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine rückwirkende Neuregelung der Vollverzinsung zu treffen. Diese Neuregelung wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 (BGBl 2022 I S. 1142) getroffen. Sie gilt für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 und ist rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden.
Die Steuerverwaltungen der Länder können die Neuberechnung der Zinsen in anhängigen Verfahren und die Umstellung der Zinsberechnungsprogramme aufgrund der damit verbundenen erheblichen technischen und organisatorischen Auswirkungen allerdings nicht sofort nach Inkrafttreten der Neuregelungen umsetzen.
Für die Zwischenzeit enthält Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO deshalb eine Übergangsregelung: Solange die Neuregelung in § 238 Absatz 1a und 1b AO technisch und organisatorisch noch nicht umgesetzt werden kann, können Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 ungeachtet der am 22. Juli 2022 in Kraft getretenen Neuregelungen weiterhin vorläufig ergehen oder ausgesetzt werden (Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO in Verbindung mit § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und Satz 4 sowie Absatz 2 AO). Die Umstellungstermine in den einzelnen Ländern können auseinanderfallen.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der AEAO zu § 233a mit sofortiger Wirkung wie nachfolgend neu gefasst.
Auf die Regelungen in den BMF-Schreiben
• vom 22. Juli 2022 – IV A 3 – S 0338/19/10004 :007 (Übergangsregelung gemäß Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO für die vorläufige Festsetzung nach § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AO und die Aussetzung der Festsetzung nach § 165 Absatz 1 Satz 4 und Satz 2 Nummer 2 AO von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019; Aussetzung der Vollziehung und Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren) – und
• vom 22. Juli 2022 – IV A 3 – S 1910/22/10040 :010 (Änderungen der §§ 233 bis 239 AO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 [BGBl 2022 I S. 1142]) –
wird hingewiesen.

Bezahlte Werbung für den Arbeitgeber

Ein Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers ist durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus (BFH, Beschluss v. 21.6.2022 – VI R 20/20; veröffentlicht am 3.11.2022).
Hintergrund: Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss (BFH, Urteil v. 4.7.2018 – VI R 16/17, Rz. 11; BFH, Urteil v. 13.2.2020 – VI R 20/17, Rz. 13 und BFH, Urteil v. 16.2.2022 – VI R 53/18, Rz. 15).

Verkauf von Gutscheinen für Freizeiterlebnisse

Verkauft ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal Gutscheine für bestimmte Freizeiterlebnisse, erbringt er die durch den Gutschein versprochene Leistung entweder selbst oder ist hinsichtlich dieser Leistung als Vermittler tätig (BFH, Urteil v. 15.03.2022 – V R 35/20; veröffentlicht am 27.10.2022).
Sachverhalt: Streitig ist, ob Einnahmen aus dem Verkauf von Gutscheinen in den Streitjahren 2013 und 2014 als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Klägers der Umsatzbesteuerung unterliegen.
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2013 und 2014 ein Internetportal, auf dem er verschiedene Freizeiterlebnisse anbot. Die Inanspruchnahme setzte den Erwerb eines Gutscheins voraus, die der Kläger im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkaufte. Über das Internetportal konnten die Erwerber das Erlebnis auswählen und Termine vereinbaren. Die hierfür erforderlichen Informationen stellte der Kläger den Kunden zur Verfügung. Für den Fall der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Gutscheininhaber leitete der Kläger den entsprechenden Betrag unter Abzug einer „Vermittlungsprovision“ an den jeweiligen Veranstalter weiter und erteilte hierüber eine Gutschrift mit Umsatzsteuerausweis.
In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger nicht die Zahlungen der Kunden für die Gutscheine, sondern lediglich die Vermittlungsprovisionen als steuerbare Umsätze. Das Finanzamt behandelte demgegenüber bereits den Verkauf der Gutscheine als umsatzsteuerbare Leistungen und minderte das Entgelt im Fall der Einlösung der Gutscheine nach § 17 UStG um die an die Veranstalter weitergeleiteten Beträge. Das FG der ersten Instanz wies die hiergegen erhobene Klage ab (FG Münster, Urteil v. 17.09.2020 – 5 K 1404/18 U)
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
• Verkauft ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal Gutscheine für bestimmte Freizeiterlebnisse, erbringt er die durch den Gutschein versprochene Leistung entweder selbst oder ist hinsichtlich dieser Leistung als Vermittler tätig. Seine Leistung besteht demgegenüber nicht im Betrieb eines Internetportals.
• Ist der Gutschein nur über einen bestimmten Geldbetrag ausgestellt (sog. Wertgutschein), fehlt es zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins an einem unmittelbaren Zusammenhang der Zahlung der Gutscheinerwerber mit einer bestimmbaren Leistung.

Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken

Das BMF hat zur Umsetzung der BFH-Urteile v. 22.08.2013 – V R 19/09, v. 07.05.2014 – V R 1/10, v. 03.07.2014 – V R 2/10, v. 10.08.2016 – XI R 31/09, v. 26.04.2018 – V R 23/16 und v. 11.11.2020 – XI R 7/20 sowie der EuGH-Urteile v. 08.11.2012 – C-511/10 „BLC Baumarkt“ und v. 09.06.2016 – C-332/14 „Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft“ zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG bei gemischt genutzten Grundstücken Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 20.10.2022 – III C 2 – S 7306/19/10001 :003).
Hintergrund: Verwendet ein Unternehmer die für sein Unternehmen gelieferten oder eingeführten Gegenstände und die in Anspruch genommenen sonstigen Leistungen sowohl für Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG ausschließen, hat er die angefallenen Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Nach dem Unionsrecht ist für die Aufteilung im Grundsatz ein auf die Gesamtheit der von dem Unternehmer bewirkten Umsätze bezogener Umsatzschlüssel anzuwenden (Art. 173 Abs. 1 und 174 MwStSystRL, „Pro-rata-Satz“). Die Mitgliedstaaten können jedoch nach Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL in bestimmten Fällen von diesem Grundsatz abweichen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in Form des Vorranges von „anderen wirtschaftlichen Zuordnungen“ vor einer Aufteilung nach den Umsätzen Gebrauch gemacht.
In seinem Schreiben geht das BMF auf folgende Punkte näher ein:
• Stand der Rechtsprechung in Bezug auf gemischt genutzte Grundstücke
• Umsetzung der Rechtsprechung
o Grundsätze
o Flächenschlüssel
o Objektbezogener Umsatzschlüssel
o Umbauter Raum
o Zuordnung
Mit dem Schreiben wird der AEAO entsprechend angepasst.
Hinweise:
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Es wird nicht beanstandet, wenn Unternehmer vor der Veröffentlichung dieses Schreibens zulässigerweise eine direkte Zuordnung von Vorsteuerbeträgen nach Abschnitt 15.17 Abs. 7 Sätze 6 und 7 UStAE in der bisherigen Fassung vorgenommen haben. Es wird weiter nicht beanstandet, wenn sich ein Unternehmer vor der Veröffentlichung dieses Schreibens auf die Regelungen in der bisherigen Fassung der Abschnitte 15.2c Abs. 10 und 15.6a Abs. 3 UStAE berufen hat.
Das Schreiben ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.