Passive Entstrickung

Die Änderung eines DBA kann nicht zur Verwirklichung des Entstrickungstatbestands nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen (sog. passive Entstrickung) (FG Münster, Urteil v. 10.08.2022 – 13 K 559/19 G,F; Revision zugelassen).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine im Inland ansässige KG, deren beide Kommanditisten zugleich an einer spanischen Kapitalgesellschaft (S.L.) beteiligt waren. Ein Kommanditist wohnt in Deutschland, der andere in der Schweiz. Die Kommanditanteile waren dem Sonderbetriebsvermögen II der beiden Kommanditisten bei der Klägerin zugeordnet. Die S.L. wies in ihrer Bilanz zum 31.12.2012 unbewegliches Vermögen aus, das ca. 59 % der Bilanzsumme ausmachte.
Im Jahr 2012 wurde in das DBA Deutschland – Spanien erstmals eine Regelung aufgenommen, die für Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen, deren Aktivvermögen zu mindestens 50 % aus unbeweglichem Vermögen besteht, dem Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermögens ein zusätzliches Besteuerungsrecht zuweist und eine Anrechnung der daraus resultierenden Steuer auf die im Wohnsitzstaat anfallende Einkommensteuer vorsieht. Aus dieser Änderung des DBA leitete das Finanzamt eine passive Entstrickung der in dem Anteil des in der Schweiz ansässigen Kommanditisten ruhenden stillen Reserven zum 01.01.2013 ab und unterwarf diese gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG der Besteuerung. Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass ihr die Änderung des DBA nicht zugerechnet werden könne. Zudem verstoße eine sofort fällig werdende Einkommensteuer gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV. Einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung habe die Klägerin mangels Zuordnung zu einer Betriebsstätte nicht bilden können.
Das FG Münster gab der Klage statt:
• Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht erfüllt.
• Es kann offen bleiben, ob das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts im Streitfall beschränkt wurde.
• Jedenfalls ist der Tatbestand der Beschränkung des Besteuerungsrechts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Änderung eines DBA nicht der Klägerin bzw. ihren Kommanditisten zuzurechnen ist.
• Aus der systematischen Stellung dieser Norm, die eine Gleichstellung mit einer Entnahme bewirkt, folgt, dass eine dem Steuerpflichtigen zurechenbare Handlung zum Ausschluss oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands führen muss.
• Außerdem hat der Gesetzgeber mit Einführung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG keine Fälle der passiven Entstrickung erfassen wollen. Er hat vielmehr die zuvor von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der finalen Entnahme, die die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte als gewinnwirksame Entnahme behandelt hatte, gesetzlich regeln wollen, also allein Fälle der aktiven Entstrickung.
• Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 4g Abs. 1 EStG durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25. Juni 2021, wonach nunmehr auch die passive Entstrickung erfasst werden sollte. Eine solche Erwägung kann nicht auf die ursprüngliche gesetzgeberische Intention zurückwirken.
• Anderenfalls wäre § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit europarechtswidrig. Zur Vermeidung dieses Verstoßes sieht § 4g EStG zwar die Möglichkeit der Bildung eines Ausgleichspostens vor. Die Neuregelung hat jedoch im Streitjahr 2013 noch keine Fälle der passiven Entstrickung erfasst.

Taxikosten zur Tätigkeitsstätte

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 09.06.2022 (VI R 26/20) dazu Stellung genommen, wie Taxikosten als Fahrtkosten für die Fahrt von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte anzusetzen sind, und hat damit seine Grundsätze für Fahrtkosten weiter konkretisiert.

Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger K konnte ein Kfz krankheitsbedingt nicht selbst fahren. Daher legte er die Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem Taxi zurück. Die dadurch entstandenen Kosten machte er als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt (FA) erkannte die Kosten aber lediglich in Höhe der einfachen Entfernungspauschale an. Das Finanzgericht gab dem K Recht, der BFH folgte aber der Auffassung des FA.

Begründung im Besprechungsfall
Zur Abgeltung der Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von (in den Streitjahren) 0,30 € anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer nicht einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen nutzt. Dabei können Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.
Der Begriff des „öffentlichen Verkehrsmittels“ ist im Gesetz nicht definiert. Der Wortlaut ist für den BFH nicht eindeutig. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr (etwa mit einem Taxi) genehmigungspflichtig ist, nicht schließen, dass das Taxi als öffentliches Verkehrsmittel i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG anzusehen ist. Aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich für den BFH vielmehr, dass unter die Bezeichnung gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lediglich öffentliche Verkehrsmittel im Linienverkehr fallen. Der Gesetzgeber verfolgte mit dem Fahrtkostenabzug einen Lenkungszweck, der für eine Beschränkung des Abzugs der Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale auch bei Nutzung eines Taxis spricht: Hier wird (wie bei der Nutzung eines eigenen Pkw) der Fahrtablauf individuell gestaltet, d.h., Fahrtzeit und -ziel sind frei bestimmbar, und häufig wird lediglich ein Einzelfahrgast befördert.
Zudem steht auch im Fall der Bildung von Fahrgemeinschaften unter Benutzung eines Taxis jedem Fahrgast für seine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte die Entfernungspauschale zu. Die Fahrtkosten bei der Nutzung eines Taxis werden damit ebenso behandelt wie Fahrtkosten für die Nutzung eines sonstigen (privaten) Pkw. Aus dem vom Gesetzgeber verfolgten Lenkungszweck folgt daher nicht, Aufwendungen für die mit einem Taxi zurückgelegten Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte wie bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr in voller Höhe ohne Begrenzung auf die Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Folglich handelt es sich bei dem von K für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gewählten Taxi nicht um ein öffentliches Verkehrsmittel. Da die Behinderung des K nicht das für die Fahrtkosten relevante Maß überschritt, wies der BFH die Klage ab.

Neue Gesetze zum Dezember 2022

Soforthilfe für Fernwärme- und Gaskunden
In den letzten Wochen wurde viel über eine Gaspreisbremse diskutiert. Im Zuge dessen wurde im Bundestag beschlossen, dass die Kosten für Gas- und Fernwärmeheizung im Dezember 2022 einmalig vom Staat übernommen werden. Eine Fernwärme- und Gas-Soforthilfe für alle Haushalte also. Als Referenzhöhe dient die Abrechnung vom September 2022.
Entlastet werden durch die Einmalzahlung zunächst alle Personen, die einen direkten Vertrag mit einem Energieunternehmen haben. Sie können sich ihre Zahlung für den Dezember 2022 sparen. Es sollen in der Folge aber auch alle Mietparteien entlastet werden, welche die Verträge durch die Vermieterinnen und Vermieter gutgeschrieben bekommen. Die Gutschrift erhalten die Mietparteien dann aber erst mit Nebenkostenabrechnung für den Dezember 2022, die im nächsten Jahr kommt.

Termine im Dezember 2022:
Bundesweiter Warntag in Deutschland
Am 8. Dezember steht in Deutschland ein bundesweiter Warntag an. Um 11.00 Uhr sollen alle deutschen Bürgerinnen und Bürger eine Warnmeldung auf ihr Handy geschickt bekommen. Dadurch soll das Warnsystem Cell Broadcast getestet werden, welches alle Menschen in Deutschland im Katastrophenfall warnen und besser schützen soll.
Das System wird in 294 deutschen Landkreisen und 107 kreisfreien Städten getestet. Es bringt den Vorteil mit, dass keine App heruntergeladen werden muss, wie es bei gängigen Warnsystemen wie Nina oder Katwarn der Fall ist. Cell Broadcast löst auf dem Smartphone außerdem ein lautes Signal aus.
Neuerungen im Dezember 2022: Rentner können sich über 300 Euro freuen
Die Energiepauschale ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Entlastungspakete für die deutschen Bürgerinnen und Bürger. Diese wird im Dezember 2022 an die deutschen Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt. Sie können sich über 300 Euro freuen, mit denen die hohen Energiepreise abgefedert werden sollen. Voraussetzung für die Energiepauschale ist ein Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs-, Waisen- oder Witwenrente der gesetzlichen Rentenversicherung, der zum Stichtag 1. Dezember 2022 bestehen muss. Auch ein Anspruch auf Versorgungsbezüge nach dem Beamten- oder dem Soldatenversorgungsgesetz stellen eine Berechtigung für die 300 Euro dar.
Alle für die Zahlung qualifizierten Personen sollen die 300 Euro bis zum 15. Dezember 2022 von den Rentenkassen erhalten haben.

Beginn der Schlechtwetterzeit
Am 1. Dezember 2022 beginnt in Deutschland die Schlechtwetterzeit, die bis zum 31. März 2023 anhält. Das bedeutet nicht, dass wir ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf den ein oder anderen Sonnenschein hoffen dürfen, sondern dass Saison-Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Es wird auch als „Saison-Kug“ bezeichnet und steht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Betrieben im Sportplatz-, Landschafts- und Gartenbau und dem Gerüstebau- und Dachdeckerhandwerk zu.
Das Saison-Kurzarbeitergeld wird vom Staat gezahlt, wenn saisonale Arbeitsausfälle auftreten oder ein saisonal bedingter Arbeitsmangel vorliegt. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind können mit 67 Prozent des ausgefallenen Nettolohnes rechnen. Alle anderen immerhin noch mit 60 Prozent.

Fristen im Dezember 2022 für Weihnachtspost und zum Steuernsparen beachten
In der Weihnachtszeit können einige Fristen eine wichtige Rolle einnehmen, die eingehalten werden sollten, wenn Geschenke und Weihnachtspost auch pünktlich zu Heiligabend ankommen sollen.

20. Dezember 2022: Bis vier Tage vor Heiligabend müssen Pakete verschickt werden, um vor den Feiertagen dort einzutreffen, wo sie ankommen sollen. Das teilt die Deutsche Post auf ihrer Website mit. Das gilt für alle Sendungen innerhalb Deutschlands.

22. Dezember 2022: Für Briefe hat man zwei Tage länger Zeit. Weihnachtspost, die bis zum 22. Dezember nicht verschickt ist, kommt womöglich nicht mehr pünktlich an.

Alle Anlegerinnen und Anleger sollten sich den 15. Dezember 2022 vormerken. An dem entsprechenden Donnerstag endet die Antragsfrist für Verlustbescheinigungen. Diese benötigen Sie, um realisierte Verluste in einem Depot mit Gewinnen aus anderen Depots zu verrechnen. Auf diesem Weg kann die Abgeltungssteuer für die Steuererklärung zurückgeholt werden, die zu viel gezahlt wurde. Um eine Verlustbescheinigung zu beantworten, müssen Sie sich an die Bank wenden, bei welcher sie entstanden sind.
Steuern sparen kann in Deutschland auf eine andere Art und Weise bis zum 31. Dezember. Das ist zum Beispiel durch Ausgaben möglich, die noch im Jahr 2022 getätigt werden. Auch die Wahl der Steuerklasse kann entscheidend sein. Und noch ein Tipp für Eigentümer: Bis zum 31. Dezember sollten Sonderkündigungen geprüft werden. Hintergrund ist, dass ab 2023 höhere Summen fällig werden, wenn Wohnungen und Häuser zum „gleitenden Neuwert“ versichert sind oder werden. Wenn der Betrag um mehr als 14,7 Prozent steigen sollte, besteht ein Sonderkündigungsrecht.

Bezahlte Werbung für den Arbeitgeber

Ein Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers ist durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus (BFH, Beschluss v. 21.06.2022 – VI R 20/20; veröffentlicht am 03.11.2022).
Hintergrund: Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss (BFH, Urteil v. 04.07.2018 – VI R 16/17, Rz. 11; BFH, Urteil v. 13.02.2020 – VI R 20/17, Rz. 13 und BFH, Urteil v. 16.02.2022 – VI R 53/18, Rz. 15).

Neufassung des AEAO zu § 233a (Zinsfestsetzung)

Bundesministerium der Finanzen, IV A 3 – S-0460a / 19 / 10012 :002
Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 03.11.2022

Fundstellen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in den Verfahren
1 BvR 2237/14 und
1 BvR 2422/17 mit am 18. August 2021 veröffentlichtem Beschluss vom 8. Juli 2021 (
BGBl 2021 I S. 4303) entschieden, dass § 233a in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird. Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber auch nicht die ausschließlich zugunsten der Steuerpflichtigen wirkenden Prozesszinsen nach § 236 AO und die Säumniszuschläge nach § 240 AO.
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 ist das bisherige Recht weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung). Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine rückwirkende Neuregelung der Vollverzinsung zu treffen. Diese Neuregelung wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 (BGBl 2022 I S. 1142) getroffen. Sie gilt für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 und ist rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden.
Die Steuerverwaltungen der Länder können die Neuberechnung der Zinsen in anhängigen Verfahren und die Umstellung der Zinsberechnungsprogramme aufgrund der damit verbundenen erheblichen technischen und organisatorischen Auswirkungen allerdings nicht sofort nach Inkrafttreten der Neuregelungen umsetzen.
Für die Zwischenzeit enthält Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO deshalb eine Übergangsregelung: Solange die Neuregelung in § 238 Absatz 1a und 1b AO technisch und organisatorisch noch nicht umgesetzt werden kann, können Zinsfestsetzungen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 ungeachtet der am 22. Juli 2022 in Kraft getretenen Neuregelungen weiterhin vorläufig ergehen oder ausgesetzt werden (Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO in Verbindung mit § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und Satz 4 sowie Absatz 2 AO). Die Umstellungstermine in den einzelnen Ländern können auseinanderfallen.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der AEAO zu § 233a mit sofortiger Wirkung wie nachfolgend neu gefasst.
Auf die Regelungen in den BMF-Schreiben
• vom 22. Juli 2022 – IV A 3 – S 0338/19/10004 :007 (Übergangsregelung gemäß Artikel 97 § 15 Absatz 16 EGAO für die vorläufige Festsetzung nach § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AO und die Aussetzung der Festsetzung nach § 165 Absatz 1 Satz 4 und Satz 2 Nummer 2 AO von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019; Aussetzung der Vollziehung und Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren) – und
• vom 22. Juli 2022 – IV A 3 – S 1910/22/10040 :010 (Änderungen der §§ 233 bis 239 AO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 [BGBl 2022 I S. 1142]) –
wird hingewiesen.

Taxi: öffentliches Verkehrsmittel

Ein im Gelegenheitsverkehr genutztes Taxi zählt nicht zu den „öffentlichen Verkehrsmitteln“ i. S. des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit einem Taxi können daher lediglich in Höhe der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten in Ansatz gebracht werden (BFH, Urteil v. 09.06.2022 – VI R 26/20; veröffentlicht am 03.11.2022).
Hintergrund: Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und der sog. ersten Tätigkeitsstätte (zumeist dessen üblicher Arbeitsplatz) sind grundsätzlich pauschal in Höhe von 0,30 € für jeden Entfernungskilometer anzusetzen, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel genutzt wird. Eine Ausnahme gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG jedoch bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer anstatt der Entfernungspauschale auch höhere tatsächliche Kosten ansetzen.

Neuer Zuschuss zu Heizkosten beschlossen

Die Bundesregierung hat am 28.09.2022 den Gesetzentwurf für einen zweiten Heizkostenzuschuss beschlossen. Der Heizkostenzuschuss soll Wohngeldberechtigten, Azubis und Studierenden zugutekommen.
Hintergrund: Die starken Preissteigerungen bei den Heizkosten treffen alle – aber Bürgerinnen und Bürger mit kleineren Einkommen ganz besonders, weil bei ihnen der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen ohnehin hoch ist. Mit dem ersten Heizkostenzuschuss hat die Bundesregierung bereits auf den starken Anstieg der Energiekosten im ersten Halbjahr reagiert.
Weil die Energiepreise weiterhin stark ansteigen und damit die Haushalte zunehmend finanziell belasten, stockt die Bundesregierung ihre Unterstützung nun durch einen zweiten Heizkostenzuschuss auf. Er ist Bestandteil und Ergänzung der Wohngeldreform.
Hierzu führt die Bundesregierung weiter aus:

  • Den Heizkostenzuschuss erhalten Wohngeldbezieherinnen und -bezieher sowie Auszubildende, Schülerinnen und Schüler in beruflicher Ausbildung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Aufstiegsfortbildungen oder Studierende, die nach Bundesausbildungsförderungsgesetz, Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz mit einem Unterhaltsbeitrag oder nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gefördert werden. Entscheidend für den Anspruch auf einen Heizkostenzuschuss ist, dass die jeweilige Förderung für mindestens einen der Monate von September bis Dezember 2022 bewilligt wurde.
  • Haushalte, die Wohngeld beziehen, erhalten einen nach Personenzahl gestaffelten einmaligen Zuschuss. So erhält etwa ein Zwei-Personen-Haushalt zum Beispiel einen einmaligen Heizkostenzuschuss in Höhe von 540 Euro. Zuschussberechtigte Azubis, Schülerinnen und Schüler und Studierende erhalten jeweils einen Heizkostenzuschuss in Höhe von 345 Euro.
  • Der zweite Heizkostenzuschuss entlastet insgesamt rund zwei Millionen Menschen, davon rund 660.000 wohngeldbeziehende Haushalte, in denen rund 1,5 Millionen Personen leben, rund 372.000 nach dem BAföG Geförderte, rund 81.000 mit Unterhaltsbeitrag nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte sowie rund 100.000 Personen, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld beziehen.
  • Die Kosten für den Heizkostenzuschuss werden vollständig vom Bund getragen. Der Gesetzentwurf konkretisiert weiterhin im Elften Buch Sozialgesetzbuch, dass zugelassene Unternehmen in der Langzeitpflege zügig Vergütungsverhandlungen mit den Pflegekassen aufnehmen können, wenn sich die Energiekosten in unvorhergesehenem Ausmaß ändern.

Gesetzgebung: EPP für Rentner, Übergangsbereich bei den Midijobs

Der Bundesrat hat am 28.10.2022 grünes Licht für die Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende gegeben. Zugleich billigte die Länderkammer die Anhebung der Obergrenze des sog. Übergangsbereichs.
Nach dem „Gesetz zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs“ erhalten Rentner eine Energiepreispauschale als Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro. Diese Pauschale bekommt, wer zum Stichtag 1. Dezember 2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung oder auf Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz oder dem ersten und zweiten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes hat.
Der Anspruch besteht nur bei einem Wohnsitz im Inland. Die Energiepreispauschale wird Anfang Dezember 2022 automatisch als Einmalzahlung durch die Rentenzahlstellen oder die Versorgungsbezüge zahlenden Stellen überwiesen. Sie ist steuerpflichtig, unterliegt jedoch nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
Das Gesetz hebt überdies die Obergrenze für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im so genannten Übergangsbereich, in dem Arbeitnehmende lediglich einen reduzierten Beitragsanteil zahlen müssen, von 1.600 Euro auf 2.000 Euro im Monat an.

Aufrechnung im Insolvenzverfahren (BFH)

Besteht für einen Vergütungsanspruch, den das FA für einen Besteuerungszeitraum nach Insolvenzeröffnung erstmals festsetzt, aufgrund der Rechtswidrigkeit dieser Steuerfestsetzung kein materieller Rechtsgrund, wird das FA diesen Vergütungsanspruch i. S. von § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erst mit der Festsetzung und damit erst nach der Insolvenzeröffnung zur Masse schuldig (BFH, Urteil v. 22.06.2022 – XI R 46/20; veröffentlicht am 03.11.2022).

Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren

Bundesgerichtshof, I-ZR-241/19
Pressemitteilung vom 10.11.2022
Pressemitteilung Nr. 158/2022
Pressetext:
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist.
Sachverhalt
Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ einen Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“. Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: „Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.
Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 11. Februar 2021.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C-179/21) entschieden.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.
Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat. Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.
Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ steht und mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.
Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.