Rückabwicklung des Erwerbs einer Kommanditbeteiligung

Aufwendungen, die dem Zweck dienen, sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen, können als Werbungskosten nur abgezogen werden, soweit es sich um vorab entstandene vergebliche Aufwendungen (sog. Aufgabeaufwendungen) handelt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: BFH, Urteil v. 19.07.2022 – IX R 18/20; veröffentlicht am 17.11.2022).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von (vergeblichen) Sonderwerbungskosten, die im Zusammenhang mit dem Begehren auf Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds stehen (Vorinstanz: Hessisches FG, Urteil v. 12.11.2019 – 7 K 352/19).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
• Erstattet eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter im Zuge der schadenersatzrechtlichen Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs seine Einlage, handelt es sich beim Gesellschafter ertragsteuerrechtlich um einen Vorgang auf der Vermögensebene, der bei ihm nicht zu steuerbaren Einnahmen führt. Unerheblich ist, wie die Gesellschaft die ursprüngliche Einlageleistung verwendet hat (Abgrenzung von BGH, Urteil v. 11.02.2014 – II ZR 276/12, BGHZ 200, 51, DStR 2014, 602).
• Kosten für einen Zivilprozess und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren.
• Sie können Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden.
• Geht es in dem Rechtsstreit um mögliche Einnahmen (oder den Ersatz von Aufwendungen) des Steuerpflichtigen, sind die Prozesskosten bei der Einkunftsart als Werbungskosten abziehbar, bei der die erstrebten Einnahmen zu erfassen wären.
• Aufwendungen, die dem Zweck dienen, sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen, können als Werbungskosten nur abgezogen werden, soweit es sich um vorab entstandene vergebliche Aufwendungen (sog. Aufgabeaufwendungen) handelt (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

Modernisierung des Steuerverfahrensrechts

Der Bundestag hat am 10.11.2022 das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ (BT-Drucks. 20/3436, 20/4228) in 2./3. Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/4376) gebilligt.
Mit dem Gesetz sollen Betreiber digitaler Plattformen verpflichtet werden, an das BZSt Informationen zu melden, die eine Identifizierung der auf den Plattformen aktiven Anbieter und die steuerliche Bewertung der von diesen durchgeführten Transaktionen ermöglichen. Meldepflichtig seien Anbieter sowohl aus dem Inland als auch aus anderen EU-Mitgliedsländern. Dazu ist auch ein automatischer Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedsländern geplant.
Außerdem sieht das Gesetz Änderungen bei der Durchführung von steuerlichen Außenprüfungen vor. Diese Außenprüfungen sollen zeitnaher durchgeführt und beschleunigt werden.
Folgende Änderungen wurden auf Empfehlung des Finanzausschusses des Bundestages in das Gesetz aufgenommen (BT-Drucks. 20/4376, Stand: 09.11.2022):
• Möglichkeit eines Antrags auf Auskunft zum Anwendungsbereich des PStTG;
• EU-Amtshilfegesetz, Automatische Übermittlung von Informationen, Finanzverwaltungsgesetz, Aufgaben des BZSt;
• Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist (§ 171 Absatz 4 AO – neu -);
• Änderungen beim qualifizierten Mitwirkungsverlangen (§ 200a AO – neu – );
• Geänderte Inkrafttretens- und Anwendungsregelungen zu den Änderungen der Abgabenordnung und verlängerte Erprobung alternativer Prüfungsmethoden.

Gesetzgebung: 14. Existenzminimumbericht

Die Bundesregierung hat am 02.11.2022 den 14. Existenzminimumbericht beschlossen. Danach besteht beim Grundfreibetrag und beim Kinderfreibetrag ab 2023 ein Erhöhungsbedarf, der im Gesetzgebungsverfahren zum Inflationsausgleichsgesetz noch berücksichtigt werden muss.
Hintergrund: Mit dem Inflationsausgleichsgesetz sollen u.a. der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Im bisherigen Regierungsentwurf des Inflationsausgleichsgesetzes wurden die o.g. Freibeträge im Vorgriff auf den 14. Existenzminimumberichts und den 5. Steuerprogressionsbericht angesetzt. Nach dem nun vorliegenden 14. Existenzminimumbericht besteht Anpassungsbedarf.
Hierzu führt die Bundesregierung u.a. weiter aus:
Infolge starker Preissteigerungen und damit verbundener Erhöhungen der Transferleistungen weicht das Ergebnis des 14. Existenzminimumberichts von der Vorabprognose ab, die dem Entwurf eines Inflationsausgleichsgesetzes zugrunde liegt.
In der Folge müssen die im Gesetzentwurf enthaltenen Beträge für den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag wie folgt erhöht werden:
• Erhöhung des Grundfreibetrags um 561 € auf 10.908 € ab 2023 und um weitere 564 € auf 11.472 € ab 2024.
• Erhöhung des Kinderfreibetrags um 404 € auf 6.024 € ab 2023 und um weitere 360 € auf 6.384 € ab 2024.
Hinweis:
Vorgesehen ist, die verfassungsrechtlich erforderlichen Anpassungen im parlamentarischen Verfahren zum Inflationsausgleichsgesetz umzusetzen. Der Bericht wird nun dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet.
Der 14. Existenzminimumbericht ist auf der Homepage der Bundesregierung veröffentlicht.

Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation

Verzichtet der Chefarzt gegenüber dem Träger der Klinik, an der er tätig ist, auf das ihm durch die Klinik eingeräumte Recht zur Privatliquidation gegen monatliche Ausgleichszahlungen, die der Klinikträger leistet, um auch insoweit selbst gegenüber Privatversicherten abrechnen zu können, liegt eine steuerbare Verzichtsleistung vor, die nicht als Verzicht auf die zukünftige Erbringung von Heilbehandlungsleistungen gegenüber den Privatversicherten steuerfrei ist (BFH, Urteil v. 30.06.2022 – V R 36/20; veröffentlicht am 17.11.2022).

Wirtschaftsprüfung: Qualitätsmanagement bei einer Abschlussprüfung

Das IDW hat den Entwurf des „International Standard on Auditing 220 (Revised): Qualitätsmanagement bei einer Abschlussprüfung“ veröffentlicht.
Hintergrund: ISA [E-DE] 220 (Revised) behandelt die Verantwortlichkeiten des Abschlussprüfers hinsichtlich des Qualitätsmanagements auf Auftragsebene und die damit zusammenhängenden Verantwortlichkeiten des Auftragsverantwortlichen.
Hierzu führt das IDW u.a. weiter aus:
ISA [DE] 220 (Revised) soll – korrespondierend mit dem Erstanwendungszeitpunkt der IDW Qualitätsmanagementstandards – erstmals anzuwenden sein für die Prüfung von Abschlüssen für Zeiträume, die am oder nach dem 15.12.2023 beginnen. Bei kalendergleichem Geschäftsjahr bedeutet dies eine erstmalige Anwendung für die Prüfung der Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2024 in der Prüfungssaison 2025.
Eine freiwillige frühere Anwendung (z.B. auf den früheren Zeitpunkt der verpflichtenden Erstanwendung der internationalen Standards ISQM 1, ISQM 2 und ISA 220 (Revised) (15.12.2022)) ist zulässig, wenn die Anforderungen des ISA [DE] 220 (Revised) vollständig beachtet werden und eine entsprechend vorzeitige und vollständige Anwendung des IDW QMS 1 (09.2022) und IDW QMS 2 (09.2022) erfolgt.
Die zu beachtenden nationalen Besonderheiten sind als zusätzliche D-Textziffern oder in eckigen Klammern in die Übersetzung eingefügt. Hierdurch wird insbesondere den deutschen und europäischen berufsrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen und somit auch Konsistenz zu den transformierten IDW Qualitätsmanagementstandards (QMS) 1 und 2 hergestellt.

Kindergeld: Verfassungsmäßigkeit

Die Beschränkung der Auszahlung festgesetzten Kindergelds durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH, Beschluss v. 22.09.2022 – III R 21/21; veröffentlicht am 17.11.2022).
Hintergrund: Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach § 52 Abs. 50 EStG auf nach dem 18.07.2019 eingehende Anträge auf Kindergeld anzuwenden. Sie regelt, dass festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt wird, in dem der Antrag eingegangen ist.

EPP: Lohnsteuerabzug vor Verabschiedung der gesetzlichen Regelungen

Das BMF hat zum Lohnsteuerabzug in Bezug auf die Energiepreispauschale (EPP) nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz und vergleichbaren Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 16.11.2022 – IV C 5 – S 1901/22/10009 :003).
Hintergrund: Die mit dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 7. November 2022 (BGBl. I S. 1985) geregelte Energiepreispauschale für Versorgungsbeziehende soll als steuerpflichtige Einnahme vollständig der Lohn- und Einkommensbesteuerung unterliegen (s. BT-Drucks 20/3938 S. 12 unter Pkt. II.). Die diesbezügliche gesetzliche Regelung im Jahressteuergesetz 2022 wird jedoch voraussichtlich erst Ende 2022 endgültig verabschiedet sein.
Um unnötigen Bürokratieaufwand infolge einer verpflichtenden nachträglichen Korrektur des Lohnsteuerabzugs (§ 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG) zu vermeiden, bestehen im Hinblick auf die kurz vor der endgültigen Verabschiedung stehende gesetzliche Regelung keine Bedenken, wenn Arbeitgeber die Energiepreispauschale für Versorgungsbeziehende bereits bei Auszahlung dem Lohnsteuerabzug unterwerfen.
Hierbei ist davon auszugehen, dass die Energiepreispauschale für Versorgungsbeziehende
• als Einnahme nach § 19 Absatz 2 EStG zu berücksichtigen ist,
• nicht als Sonderzahlung im Sinne von § 19 Absatz 2 Satz 4 EStG gilt, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von § 19 Absatz 2 Satz 9 EStG,
• bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c EStG nicht zu berücksichtigen ist
und die §§ 3 und 24a EStG bei der Lohnbesteuerung nicht anzuwenden sind.
Die Ausführungen dieses BMF-Schreibens gelten entsprechend für vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht.
Hinweis:
Das BMF-Schreiben gilt ab dem 16.11.2022 bis zum 31.12.2022. Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen

Die in den AGB einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, ist unwirksam (BGH, Urteil v. 15.11.2022 – XI ZR 551/21).

Belastung durch kalte Progression

Die Bundesregierung hat den Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2022 und 2023 (Fünfter Steuerprogressionsbericht) als Unterrichtung (BT-Drucks. 20/4444) vorgelegt. Darin heißt es, im Jahr 2022 seien rund 35,5 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich rund 659 Euro von der kalten Progression betroffen. Im Jahr 2023 sollen es rund 606 Euro sein.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Entlastungen (2022 rund drei Milliarden Euro und 2024 rund 0,5 Milliarden Euro) betrage die verbleibende kalte Progression in diesem Jahr rund 20,4 Milliarden Euro und 21 Milliarden Euro im Jahr 2023.
In den Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes (BT-Drucks. 20/3496, 20/4378), seien bereits entsprechende Regelungen zur Verschiebung der Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs der Jahre 2023 und 2024 aufgenommen worden.

Wettbewerbsrecht: Pflicht von Internethändlern zu Herstellergarantien

Internethändler müssen Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist (BGH, Urteil v. 10.11.2022 – I ZR 241/19).
Sachverhalt und Verfahrensverlauf: Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ einen Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“. Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: „Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.
Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben. Der BGH hatte das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH diverse Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat über die Fragen durch Urteil v. 5.5.2022 – C-179/21 entschieden.