Datenschutzrecht: Anspruch auf unentgeltliche Kopien von Prüfungsarbeiten

Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesjustizprüfungsamt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Nachdem der Kläger im Jahr 2018 die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landesjustizprüfungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen bestanden hatte, verlangte er von dem Amt unter Berufung auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Landesjustizprüfungsamt war zu einer Übermittlung der Kopien nur gegen Erstattung der nach dem Landeskostenrecht berechneten Kosten in Höhe von 69,70 Euro bereit und lehnte den Antrag des Klägers ab. Der von dem Kläger hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stattgegeben. Die von dem Land Nordrhein-Westfalen gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision des Landes Nordrhein-Westfalen ist vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos geblieben.
Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person u. a. das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann sie von dem Verantwortlichen die Überlassung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ergibt sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungsleistungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt – das heißt letztlich Wort für Wort – personenbezogene Daten des Prüflings darstellen. Macht in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, muss das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungsarbeiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dies gilt nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verantwortlichen vorliegenden Form umfasst. Nichts Anderes folgt aus einem engeren Interpretationsansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurverfügungstellung der aus dem jeweiligen Verarbeitungszusammenhang extrahierten personenbezogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten besteht. Denn ein solches Vorgehen ist bei Prüfungsarbeiten nicht möglich. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht von einer Vorlage der Frage an den EuGH abgesehen, welcher Auffassung zu folgen ist.
Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stehen keine Ausschlussgründe nach der Datenschutzgrundverordnung entgegen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bei dem Landesjustizprüfungsamt verursacht, ist als vergleichsweise gering zu beurteilen. Der Anspruch bezieht sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint. Es hat ferner festgestellt, dass der fristgebundene Einsichtsanspruch nach dem nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetz den datenschutzrechtlichen Anspruch unberührt lässt. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden.

Ausbau von Videokonferenztechnik bei Gericht

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 23.11.2022 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten veröffentlicht.
Hintergrund: Die Zivilgerichte haben bereits während der Corona-Pandemie mit der verstärkten Durchführung von Videoverhandlungen Erfahrungen gesammelt. Dadurch konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, wie der Einsatz von Videotechnik in der Ziviljustiz weiter ausgebaut werden kann.
Hierzu führt das BMJ u.a. weiter aus:
Mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf werden Änderungsvorschläge aus der Justizpraxis aufgegriffen, zusammengeführt und weiterentwickelt. Ziel des Entwurfs ist es, die bestehenden Regelungen flexibler und praxistauglicher zu gestalten. Dadurch soll der Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit sowie den Fachgerichtsbarkeiten weiter gefördert werden. Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen ermöglichen eine schnellere und kostengünstige Verfahrensführung. Damit wird ein wichtiger Beitrag zu der angestrebten Modernisierung und Digitalisierung der Justiz geleistet und entsprechende Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.
Der Entwurf sieht folgende Neuerungen vor:
• Ausbau von Videoverhandlungen: Die zentrale Norm für Videoverhandlungen – § 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) – wird insgesamt neu gefasst: Das Gericht soll eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern gegenüber den Verfahrensbeteiligten anordnen können. Die Anordnung erfolgt durch die oder den Vorsitzenden. Die Verfahrensbeteiligten können innerhalb einer zu bestimmenden Frist beantragen, von dieser Anordnung ausgenommen zu werden. Auch bei übereinstimmenden Anträgen der Parteien auf Durchführung einer Videoverhandlung soll diese in der Regel angeordnet werden. Lehnt das Gericht einen Antrag auf Videoverhandlung ab, ist diese Entscheidung zu begründen und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Vollvirtuelle Verhandlungen, bei der sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält, sollen ebenfalls ermöglicht werden.
• Videoeinsatz bei der Beweisaufnahme: Die Regelungen zur Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E) sollen erweitert werden. Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein. Zudem soll auch die Videobeweisaufnahme durch das Gericht angeordnet werden können.
• Videoverhandlungen werden kostengünstiger: Die bisher für die Nutzung von Videokonferenztechnik nach den Gerichtskostengesetzen zu erhebende Auslagenpauschale soll entfallen.
• Moderne Dokumentationsmöglichkeiten: Die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung (§ 160a ZPO-E) sollen dahingehend erweitert werden, dass neben der bereits zulässigen Tonaufzeichnung eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig ist. In bestimmten Verfahren sollen die Parteien eine Audio- oder audiovisuelle Dokumentation der Aussagen von Beweispersonen beantragen können.
• Zeitgemäßer Zugang zur Justiz: Anträge und Erklärungen zum Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig per Video gegenüber der Geschäftsstelle abgegeben werden können (§ 129a ZPO-E). Dies betrifft beispielsweise die Beantragung von Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Erhebung einer Klage beim Amtsgericht.
• Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft soll um die Möglichkeit erweitert werden, diese per Video oder an einem anderen geeigneten Ort als in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers oder in der Wohnung des Schuldners abzunehmen (§ 802f ZPO-E).
Die Neuregelungen kommen grundsätzlich auch in den Arbeitsgerichten, Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten zur Anwendung (Anwendung über die allgemeinen Verweisungsnormen in § 46 Absatz 1 Satz 1 ArbGG, § 173 Satz 1 VwGO, § 155 Satz 1 FGO). Um den Besonderheiten der Sozialgerichtsbarkeit Rechnung zu tragen, soll die eigenständige Regelung zu Videoverhandlungen in § 110a SGG beibehalten und nur zum Teil an die Neufassung des § 128a ZPO angepasst werden.

Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (Anschluss an BFH-Beschlüsse v. 23.5.2022 – V B 4/22 (AdV), zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, und vom 31.8.2021 – VII B 69/21 (AdV), n.v.: BFH, Beschluss v. 11.11.2022 – VIII B 64/22 (AdV); veröffentlicht am 1.12.2022).

GmbHG: Stellungnahme zum Vorschlag für eine GmbH mit gebundenem Vermögen

Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF hat eine Stellungnahme zum Vorschlag für eine sog. GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) vorgelegt.
Der Beirat unterstützt verantwortungsvolles Unternehmertum. Allerdings empfiehlt er dafür nicht die Einführung einer neuen Rechtsform GmbH-gebV.

Betriebsprüfung: Richtsatzsammlung 2021

Das BMF hat die Richtsatzsammlung 2021 veröffentlicht (BMF, Schreiben v. 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :008).
Hintergrund: Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Bei formell ordnungsmäßig ermittelten Buchführungsergebnissen darf eine Gewinn- oder Umsatzschätzung nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nicht allein darauf gestützt werden, dass die erklärten Gewinne oder Umsätze von den Zahlen der Richtsatz-Sammlung abweichen.
Werden für einen Gewerbebetrieb, für den Buchführungspflicht besteht, keine Bücher geführt, oder ist die Buchführung nicht ordnungsmäßig (R 5.2 Abs. 2 EStR), so ist der Gewinn nach § 5 EStG unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles, unter Umständen unter Anwendung von Richtsätzen, zu schätzen (R 4.1 Abs. 2 EStR). Ein Anspruch darauf, nach Richtsätzen besteuert zu werden, besteht nicht.
Die Richtsätze sind für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt worden. Sie gelten nicht für Großbetriebe.
Hinweis:
Die Richtsatzsammlung 2021 finden Sie auf der Homepage des BMF.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, wie der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine, ist die Finanzverwaltung gehalten, auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber den Steuerpflichtigen zu achten (s. Begleitschreiben des BMF zur Anwendung der Richtsatzsammlung in Krisensituationen (BMF, Schreiben v. 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :006).

EuGH zur Geldwäscherichtlinie

Die Bestimmung, dass die Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, ist ungültig.
Der mit dieser Maßnahme verbundene Eingriff in die durch die Charta gewährleisteten Rechte ist weder auf das absolut Erforderliche beschränkt noch steht er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel.
Gemäß der Geldwäscherichtlinie[1] wurde durch ein im Jahr 2019 erlassenes luxemburgischen Gesetz[2] ein Registre des bénéficiaires effectifs (Register der wirtschaftlichen Eigentümer) geschaffen. Dieses Gesetz sieht vor, dass eine Reihe von Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der eingetragenen Einrichtungen in dieses Register aufgenommen und gespeichert werden. Zu einem Teil dieser Informationen hat die breite Öffentlichkeit Zugang, u. a. über das Internet. Ferner hat ein wirtschaftlicher Eigentümer nach diesem Gesetz die Möglichkeit, bei Luxembourg Business Registers (LBR), dem Verwalter des Registers, zu beantragen, den Zugang zu solchen Informationen in bestimmten Fällen zu beschränken.
In diesem Zusammenhang wurden beim Bezirksgericht Luxemburg Klagen von einer luxemburgischen Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Eigentümer einer solchen Gesellschaft eingereicht, die erfolglos bei LBR beantragt hatten, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken. Dieses Gericht vertrat die Ansicht, dass die Verbreitung solcher Informationen ein unverhältnismäßiges Risiko einer Beeinträchtigung der Grundrechte der betroffenen wirtschaftlichen Eigentümer mit sich bringen könne, und stellte daher dem Gerichtshof eine Reihe von Vorlagefragen nach der Auslegung gewisser Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie und zu deren Gültigkeit im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
In seinem Urteil vom 22.11.2022 stellt der Gerichtshof (Große Kammer) die im Licht der Charta bestehende Ungültigkeit derjenigen Bestimmung der Geldwäscherichtlinie fest, nach der die Mitgliedstaaten in allen Fällen den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen sicherzustellen haben.
Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar, die in den Art. 7 bzw. 8 der Charta verankert sind. Die verbreiteten Angaben ermöglichen es nämlich einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen. Außerdem werden die möglichen Folgen einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen dadurch verschärft, dass diese Daten, sobald sie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden sind, nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden können.
Allerdings möchte der Unionsgesetzgeber mit der fraglichen Maßnahme Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern, indem er mittels erhöhter Transparenz ein Umfeld schafft, das weniger leicht für diese Zwecke genutzt werden kann. Nach Auffassung des Gerichtshofs verfolgt der Gesetzgeber somit eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, die selbst schwerwiegende Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte zu rechtfertigen vermag; auch ist der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer zur Verwirklichung dieser Zielsetzung geeignet.
Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass der Eingriff, den diese Maßnahme mit sich bringt, weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist noch in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Zielsetzung steht. Neben der Tatsache, dass die fraglichen Bestimmungen die öffentliche Zugänglichmachung von Daten gestatten, die weder hinreichend bestimmt noch identifizierbar sind, stellt die mit der Geldwäscherichtlinie eingeführte Regelung einen erheblich schwereren Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta verbürgten Grundrechte dar als die Vorgängerregelung (die neben dem Zugang der zuständigen Behörden und bestimmter Einrichtungen den Zugang aller Personen oder Organisationen vorsah, die ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten), ohne dass diese zusätzliche Schwere durch etwaige Vorteile kompensiert würde, die sich aus der neuen Regelung im Vergleich zur früheren hinsichtlich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergeben könnten.
Insbesondere das von der Kommission geltend gemachte etwaige Vorliegen von Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung der Fälle und Bedingungen, in bzw. unter denen ein solch berechtigtes Interesse besteht, kann nicht rechtfertigen, dass der Unionsgesetzgeber den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den fraglichen Informationen vorsieht. Zudem hält der Gerichtshof die fakultativen Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, die Bereitstellung der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von einer Online-Registrierung abhängig zu machen und für außergewöhnliche Umstände Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu diesen Informationen vorzusehen, als solche für weder geeignet, zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte vorgenommen wurde, noch, dass hinreichende Garantien bestehen, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten wirksam gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.

Jahr des Rentenbeginns bei Altersrenten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 31.08.2022 (X R 29/20) entschieden, dass für die Höhe des Besteuerungsanteils das Jahr maßgeblich ist, in dem die Voraussetzungen für die Erlangung des Rentenanspruchs erfüllt sind. Wird der Beginn des Renteneintritts auf Antrag aufgeschoben, ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die aufgeschobene Altersrente erstmals bezogen wird.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Er vollendete im Oktober 2009 das 65. Lebensjahr, was ihn grundsätzlich zum Renteneintritt berechtigte. Der Kläger beantragte bei dem Versorgungswerk, dass der Beginn der Rentenzahlungen um drei Jahre aufgeschoben wird. Während dieses Zeitraums blieb der Kläger weiterhin berufstätig und leistete weitere Beiträge an das Versorgungswerk.
Gegen den nach Renteneintritt erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 legte der Kläger Einspruch ein. Denn der bei der Besteuerung der Altersrente abgezogene Rentenfreibetrag wurde nach dem Jahr des aufgeschobenen Renteneintritts 2012 ermittelt, so dass ein Besteuerungsanteil von 64 % statt dem im Jahr 2009 gültigen Besteuerungsanteil von 58 % angesetzt wurde. Nach der Auffassung des Klägers war der Rentenfreibetrag jedoch nach dem Jahr des ursprünglich vorgesehenen Renteneintritts 2009 zu ermitteln. Der Einspruch sowie die anschließende Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben ohne Erfolg. Auch der BFH sah die gegen das FG-Urteil eingelegte Revision als unbegründet an.
Ermittlung des Rentenfreibetrags
Der Anteil von Altersrenten, der der Besteuerung unterliegt, wird nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ermittelt. Dieser richtet sich nach dem Jahr des Rentenbeginns sowie dem für dieses Jahr maßgebenden Prozentsatz aus der Tabelle. Die Differenz zwischen dem Jahresbetrag und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach der Auffassung des BFH ist der für die Ermittlung des steuerpflichtigen Rentenanteils maßgebliche Beginn der Rente als Zeitpunkt der Erfüllung des Rentenanspruchs anzusehen. Die Finanzverwaltung sieht damit übereinstimmend den Zeitpunkt für die Ermittlung des Rentenanteils als maßgeblich an, ab dem die Rente tatsächlich bewilligt wird. Dementsprechend ist in Fällen, in denen der Beginn des Renteneintritts auf Antrag des Rentenberechtigten zur Erlangung eines höheren Rentenanspruchs über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus aufgeschoben wird, zur Bestimmung des Jahres des Rentenbeginns der Zeitpunkt maßgeblich, den der Rentenberechtigte als Beginn der aufgeschobenen Altersrente bestimmt.
Eine Ermittlung des Besteuerungsanteils nach dem Jahr 2009 wäre somit nur möglich gewesen, wenn der Renteneintritt nicht auf Antrag verlängert worden wäre. Entgegen der Auffassung des FG sah der BFH zudem keine Bindungswirkung eines einmal seitens des Finanzamts (FA) ermittelten Rentenfreibetrags. Wird also durch das FA einmal ein Rentenfreibetrag ermittelt, so kann dieser bei einer falschen Ermittlung im Nachhinein noch angepasst werden.

Einmalige EPP für Studierende

Wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und Energiepreise sollen Studierende sowie Fachschüler und Fachschülerinnen eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro erhalten. Dies sieht das sog. Studierenden-Energiepreispauschalengesetz – EPPSG (BT-Drucks. 20/4536) der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vor.
Insgesamt rund 2,95 Millionen Studierende und etwa 450.000 Fachschülerinnen und Fachschüler seien anspruchsberechtigt. Die Energiepreispauschale erhalten könne, wer am 1. Dezember 2022 an einer in Deutschland gelegenen Ausbildungsstätte immatrikuliert sei. Somit umfasse der Gesetzentwurf auch ausländische Studierende, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Ausgenommen von der Einmalzahlung seien allerdings Gaststudierende.
Für die Energiepreispauschale seien Ausgaben in Höhe von rund 680 Millionen Euro eingeplant. Das Geld werde zunächst von den Ländern beziehungsweise zuständigen Stellen an die Studierenden sowie Fachschüler und Fachschülerinnen überwiesen. Anschließend werde der Bund die ausgegebenen Mittel bis zum 31. Dezember 2023 an die Länder zurückzahlen.
Hinweis:
Die EPP für Studierende wird nur auf Antrag gewährt. Die Beantragung soll über eine digitale Plattform erfolgen, die Bund und Länder noch erarbeiten müssen. Wann genau die Pauschale ausgezahlt werden wird, ist im Entwurf nicht konkret genannt.

Gesetzliche Neuregelungen ab Januar 2023

Das Jahr 2023 beginnt mit einer Reihe von Neuerungen, die Familien, Wohngeldbeziehenden und Studierenden zugutekommen. Die Hinzuverdienstgrenze bei der Altersrente entfällt.

Im Folgenden sind die Regelungen aufgelistet:

• Höheres Kindergeld und weitere Verbesserungen für Kinder
• Kita-Qualitätsgesetz
• Junge Menschen in Pflegefamilien oder Erziehungshilfe entlasten
• Bürgergeld – Bessere Chancen auf Qualifikation und Arbeit
• Energiepreispauschale für Studierende
• Midi-Job-Grenze auf 2.000 Euro
• Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld verlängert
• Neuregelungen in der Sozialhilfe
• Mehr Hinzuverdienst bei vorgezogener Altersrente
• Neue Beitragsbemessungsgrenzen für 2023
• Beitragssätze in der Rentenversicherung
• Anhebung der Altersgrenzen
• Verbesserte Absicherung bei Erwerbsminderung
• Künstlersozialabgabe ab 2023 bei fünf Prozent
• Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfällt
• Bundeshaushalt 2023
• Inflationsausgleich für 48 Millionen Menschen
• Homeoffice-Pauschale verbessert und entfristet
• Rentenbeiträge voll von der Steuer absetzbar
• Effektive Durchsetzung von Sanktionen und Bekämpfung von Geldwäsche
• Steuererleichterungen für Solaranlagen
• Ermäßigte Umsatzsteuer in der Gastronomie
• Höhere Tabaksteuer
• Mehr Wohngeld für mehr Menschen
• Faire Aufteilung des CO2-Preises
• Bauen und Sanieren für den Klimaschutz
• Erleichterungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verlängert
• Neue Förderrichtlinie zum Umweltbonus
• Verpflichtende Mehrwegverpackungen für Speisen und Getränke To-Go (zum Mitnehmen)
• Sechs Milliarden Euro jährlich für eine ökologische Landwirtschaft
• Antibiotika in der Tierhaltung – Bessere Datenerfassung, weniger Resistenzen
• Mehr Fläche für zusätzliches Getreide
• Energiepreisbremsen
• EEG 2023: Ausbau erneuerbarer Energien massiv beschleunigen
• Mehr Windenergie auf See
• Kernkraftwerke können befristet weiterbetrieben werden
• Schnellerer Ausstieg aus der Braunkohle in NRW Triage in der Pandemie neu geregelt
• Entlastung von Pflegekräften in Krankenhäusern
• Corona-Impfung: Übergang in die Regelversorgung
• Verbot von weiteren Tattoofarben
• Mehr Gelde für den ÖPNV
• Lkw-Maut steigt
• Mehr Verantwortung für Unternehmen in der Lieferkette
• Mehr Chancen für gut integrierte Geflüchtete
• Asylverfahren beschleunigen
• Gesetzesverkündung künftig elektronisch
• Zur Europawahl schon mit 16 Jahren

Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG

Das BMF hat den UStAE im Hinblick auf diverse Urteile des BFH zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG angepasst (BMF, Schreiben v. 18.11.2022 – III C 2 – S 7306/19/10002 :002).
Hintergrund: In den vergangenen Jahren hat der BFH in mehreren Entscheidungen zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG geurteilt:
• BFH, Urteil v. 16.11.2016 – V R 1/15, BStBl II 2022 S. xxx (Vorsteueraufteilung für ein Strom und Wärme produzierendes Blockheizkraftwerk, s. hierzu Becker, NWB Nr. 9/2017 S. 638).
• BFH, Urteil v. 23.10.2019 – XI R 18/17, BStBl II 2022 S. xxx (Berechnung des Vorsteuerschlüssels von Kreditinstituten nach der sog. Philipowski-Methode, s. hierzu Möller, USt direkt digital 10/2020 S. 5).
• BFH, Urteil v. 23.10.2019 – V R 46/17, BStBl II 2022 S. xxx (Verzicht auf Steuerfreiheit der Vermietung, s. hierzu Walkenhorst, USt direkt digital 4/2020 S. 8).
Das BMF hat beschlossen, die o.g. Entscheidungen im BStBl II zu veröffentlichen. Der UStAE wird im Wesentlichen wie folgt angepasst:
1. Abschnitt 2.5 Abs. 20 Satz 2 UStAE:
Wird jedoch bei einer Strom und Wärme produzierenden KWK-Anlage die erzeugte Wärme entnommen bzw. zu den Vorsteuerabzug ausschließenden Zwecken (z. B. Verwendung in einem der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegenden Betrieb des Unternehmers) verwendet und der durch die KWK-Anlage erzeugte Strom in das allgemeine Stromnetz eingespeist, richtet sich die Vorsteueraufteilung nach Abschnitt 15.17 Abs. 3 (keine Aufteilung nach Menge bei nicht miteinander vergleichbaren Produkten).
2. Abschnitt 15.16 Abs. 1 Satz 4 UStAE:
Auch eine Steuer, die nach § 14c UStG geschuldet wird, kommt nicht für eine Vorsteueraufteilung in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.2019 – V R 46/17, BStBl II 2022 S. xxx).
Abschnitt 15.17 Abs. 3 Satz 4 ff. UStAE:
Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass keine andere Methode eine präzisere Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern gewährleisten darf (vgl. BFH-Urteile vom 10.08.2016 – XI R 31/09, BStBl II 2022 S. xxx, und vom 11.11.2020 – XI R 7/20, BStBl II 2022 S. xxx), ein präziserer anderer (sachgerechter) Aufteilungsschlüssel geht dem Umsatzschlüssel daher immer vor.
Kommen mehrere andere präzisere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl der anzuwendenden präziseren Methode obliegt in diesen Fällen dem Unternehmer; das Finanzamt kann sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie sachgerecht ist. Nicht sachgerecht sind z.B. Aufteilungen nach der Menge nicht miteinander vergleichbarer Produkte (zu einem Strom und Wärme produzierenden Blockheizkraftwerk vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2016 – V R 1/15, BStBl II 2022 S. xxx) oder nach einem selektiven Personalschlüssel (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.2019 – XI R 18/17, BStBl II 2022 S. xxx).
Hinweis:
Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird nicht beanstandet, wenn sich ein Steuerpflichtiger für bis zum 31.12.2022 bezogene Leistungen auf die bisherigen Regelungen in Abschnitt 2.5 Abs. 20 UStAE beruft.