Betriebsprüfung: Richtsatzsammlung 2021

Das BMF hat die Richtsatzsammlung 2021 veröffentlicht (BMF, Schreiben v. 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :008).
Hintergrund: Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Bei formell ordnungsmäßig ermittelten Buchführungsergebnissen darf eine Gewinn- oder Umsatzschätzung nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nicht allein darauf gestützt werden, dass die erklärten Gewinne oder Umsätze von den Zahlen der Richtsatz-Sammlung abweichen.
Werden für einen Gewerbebetrieb, für den Buchführungspflicht besteht, keine Bücher geführt, oder ist die Buchführung nicht ordnungsmäßig (R 5.2 Abs. 2 EStR), so ist der Gewinn nach § 5 EStG unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles, unter Umständen unter Anwendung von Richtsätzen, zu schätzen (R 4.1 Abs. 2 EStR). Ein Anspruch darauf, nach Richtsätzen besteuert zu werden, besteht nicht.
Die Richtsätze sind für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt worden. Sie gelten nicht für Großbetriebe.
Hinweis:
Die Richtsatzsammlung 2021 finden Sie auf der Homepage des BMF.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, wie der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine, ist die Finanzverwaltung gehalten, auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber den Steuerpflichtigen zu achten (s. Begleitschreiben des BMF zur Anwendung der Richtsatzsammlung in Krisensituationen v. 28.11.2022 – IV A 8 – S 1544/19/10001 :006).

Steuerfreiheit von Supervisionsleistungen

Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen. Die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts stellt, gelten hierfür nicht. Umsätze einer Supervisorin können nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein (BFH, Beschluss v. 22.06.2022 – XI R 32/21 (XI R 6/19); veröffentlicht am 01.12.2022).
Sachverhalt: Die Klägerin erbrachte im Streitjahr 2014 Supervisionsleistungen für verschiedene Auftraggeber (Umsatzsteuer führte sie nicht ab), die sie als umsatzsteuerfrei erklärte. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Supervisionsleistungen weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht steuerfrei seien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (erste Instanz: FG Münster, Urteil v. 12.03.2019 15 K 1768/17 U).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
• Eine Steuerbefreiung nach nationalem Recht kommt nicht Betracht.
• Die Unterrichtsleistungen der Klägerin sind jedoch gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei.
• Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL befreit den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht. Die Vorschrift weist eine leistungs- und eine unternehmerbezogene Voraussetzung auf.
• Die Klägerin erfüllt die leistungsbezogenen Voraussetzungen dieses Tatbestandes. In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass danach auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können (BFH, Urteil v. 20.03.2014 – V R 3/13, BFHE 245, 391, Rz 19 f., und BFH, Urteil v. 24.01.2019 – V R 66/17, BFH/NV 2019, 593, Rz 10).
• Auf die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL stellt (EuGH, Urteil v. 21.10.2021 – C 373/19 „Dubrovin & Tröger Aquatics“), kommt es im Streitfall entgegen der Auffassung des FA nicht an, da sich die Voraussetzungen nicht auf den gesondert zu betrachtenden Bereich der Aus- und Fortbildung beziehen (zutreffend Alvermann/Esteves Gomes in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 43).
• Der Unterricht wird zudem unternehmerbezogen von einem Privatlehrer im Sinne dieser Bestimmung erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt (vgl. u.a. EuGH, Urteil v. 14.06.2007 – C 445/05 „Haderer“, EU:C:2007:344, Rz 30)
• Danach war die Klägerin auch als „Privatlehrerin“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig, da sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelte. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es den Auftraggebern der Klägerin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging (vgl. BFH, Urteil v. 20.03.2014 – V R 3/13 , Rz 24).

Grunderwerbsteuer: Bemessungsgrundlage

Veräußert eine erschließungspflichtige Gemeinde ein Grundstück und übernimmt der Erwerber dabei die vertragliche Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück (Fortsetzung des BFH-Urteils vom 15.03.2001 – II R 39/99; BFH, Urteil v. 28.09.2022 – II R 32/20).

Korrektur eines unrechtmäßigen Betriebsausgabenabzugs

Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die zugrundeliegenden Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind (BFH, Urteil v. 28.09.2022 – VIII R 6/19; veröffentlicht am 01.12.2022).

Jahr des Rentenbeginns bei aufgeschobener Altersrente

Das – für die Höhe des Besteuerungsanteils maßgebliche – „Jahr des Rentenbeginns“ (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG) ist das Jahr, in dem der Rentenanspruch entstanden ist, also seine Voraussetzungen erfüllt sind (BFH, Urteil v. 31.08.2022 – X R 29/20; veröffentlicht am 1.12.2022). Hintergrund: Leibrenten, die u.a. aus den berufsständischen Versorgungswerken erbracht werden, gehören zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG). Der Anteil, der der Besteuerung unterliegt, ist nach dem „Jahr des Rentenbeginns“ und dem für dieses Jahr maßgebenden Prozentsatz aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Tabelle zu entnehmen.

Gesetzgebung: Inflationsausgleichsgesetz

Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 25.11.2022 dem Inflationsausgleichsgesetz zugestimmt. Das Gesetz ist Teil eines dritten Entlastungspakets, das Maßnahmen zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen umfasst.
Kalte Progression
Um die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen zu dämpfen, passt das Inflationsausgleichsgesetz die Steuerlast von rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürgern an die Inflation an. Durch eine Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie die Erhöhung des Kindergeldes werden zudem Familien unterstützt.
Länder äußern auch Kritik
In einer begleitenden Entschließung bekundet der Bundesrat Unterstützung für das Vorhaben, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten und unterstreicht, dass die Länder sich in der Mitverantwortung sehen, einen angemessenen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der hohen Energiepreise zu leisten.
Die Länderkammer erklärt aber auch, dass angesichts der Größenordnungen der mit dem Gesetz einhergehenden finanziellen Belastungen eine vollständige Information und frühzeitige Einbindung der Länder in die Entscheidungsprozesse erforderlich gewesen wären. Dies gelte umso mehr, als mit dem Inflationsausgleichsgesetz in erheblichem Umfang Maßnahmen umgesetzt werden, die nicht verfassungsrechtlich geboten, sondern einer politischen Entscheidung zugänglich sind.
Hinweis:
Das Gesetz kann nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten jetzt im Bundesgesetzblatt verkündet werden und danach zu großen Teilen am 01.01.2023 in Kraft treten. Teile des Gesetzes treten auch rückwirkend zum 01.01.2022 in Kraft. Eine Regelung zur Anhebung der Freigrenze beim Solidaritätszuschlag wird am 01.01.2024 in Kraft treten.

Unterbrechung der Verjährung

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht (BFH, Urteil v. 23.08.2022 – VII R 46/20; veröffentlicht am 01.12.2022).

Bessere Durchsetzung von Sanktionen

Sanktionen sollen in Zukunft besser durchgesetzt werden können. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (BT-Drucks. 20/4534) eingebracht.
Eine der wichtigsten Maßnahmen besteht in der Einrichtung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung auf Bundesebene. Dort soll auch eine Hinweisannahmestelle eingerichtet werden. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass bei Immobilientransaktionen nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden darf. Der Nationale Normenkontrollrat hält die von der Regierung dargestellten Regelungsfolgen für „nachvollziehbar und methodengerecht“.
Der Gesetzentwurf ist identisch mit einem von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bereits eingebrachten Entwurf (BT-Drucks. 20/4326).

Korrektur eines unrechtmäßigen Betriebsausgabenabzugs

Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die zugrundeliegenden Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind (BFH, Urteil v. 28.09.2022 – VIII R 6/19; veröffentlicht am 01.12.2022).

Jahressteuergesetz mit zahlreichen Änderungen beschlossen

Der Finanzausschuss des Bundestags hat in seiner Sitzung am 30.11.2022 mit dem Jahressteuergesetz eine Fülle von steuerlichen Verbesserungen und Veränderungen sowie eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen beschlossen. Am 2.12.2022 soll das Gesetz in 2./3. Lesung vom Bundestag beschlossen werden. Der Bundesrat muss dem Vorhaben dann noch zustimmen.
Dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf (BT-Drucks. 20/3879, BT-Drucks, 20/4229) stimmten die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu. Die CDU/CSU-Fraktion lehnte ab, die AfD-Fraktion und die Fraktion Die Linke enthielten sich. Zuvor waren von den Koalitionsfraktionen mit 39 Anträgen Änderungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen worden. Von den Oppositionsfraktionen war die zum Teil sehr späte Vorlage der Änderungsanträge durch die Koalition heftig kritisiert worden.
Wesentliche Maßnahmen des Gesetzes:
• Zu den wesentlichen Punkten des Gesetzes zählt die Schaffung eines direkten Auszahlungsweges für öffentliche Leistungen unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer. Dadurch soll die Auszahlung bestimmter zukünftiger Leistungen des Bundes wie z. B. Nothilfen oder Klimagelder erleichtert werden. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, das kleine Photovoltaikanlagen steuerfrei betrieben werden können. Die Regelung gilt bereits ab diesem Jahr. Ursprünglich sollte sie ab 2023 gelten.
• Vereinfacht werden auch die Regelungen für ein häusliches Arbeitszimmer. Aufwendungen dafür sollen – soweit der Mittelpunkt der Tätigkeit im Arbeitszimmer liegt – auch dann abziehbar sein, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Zur Erleichterung soll in diesen Fällen auch die Wahl eines pauschalen Abzugs i. H. von 1.260 € im Jahr möglich sein. Damit soll sichergestellt werden, dass Steuerpflichtige nicht schlechter gestellt werden als solche, die nur die Homeoffice-Pauschale abziehen. Die Homeoffice-Pauschale wird entfristet und auf 6 € pro Tag angehoben. Sie kann für bis zu 210 Tage in Anspruch genommen werden. Auch der Sparer-Pauschbetrag wird von derzeit 801 € auf 1.000 € für Alleinstehende und von 1.602 auf 2.000 € für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner erhöht. Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt von 1.200 auf 1.230 €. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird ab Januar 2023 um 252 € angehoben.
• Bei der Altersvorsorge soll der vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen ab 2023 vollzogen werden. Bisher waren für 2023 96 % und 98 % für 2024 vorgesehen. Damit soll eine doppelte Besteuerung vermieden werden. Der Grundrentenzuschlag soll rückwirkend zum 1.1.2021 steuerfrei gestellt werden. Der Ausbildungsfreibetrag für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden und auswärts untergebracht sind, steigt von 924 € auf 1.200 € pro Kalenderjahr.
• Nochmals verbessert gegenüber dem Ursprungsentwurf wurde die Abschreibung von Immobilien. Der lineare AfA-Satz zur Abschreibung von Wohngebäuden soll von 2 auf 3 % angehoben werden. Die Regelung tritt bereits zum Jahresanfang 2023 in Kraft und damit sechs Monate früher als zunächst vorgesehen. Auch für den Mietwohnungsbau wurden bessere Abschreibungsmöglichkeiten beschlossen.
• Außerdem enthält der Entwurf Regelungen zur Steuerpflicht der Energiepreispauschale für Rentner und Versorgungsbezieher. Dadurch werden in diesem Jahr Mehreinnahmen von 520 Mio. € erwartet. Steuerpflichtig werden soll auch die Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe). Vorgesehen ist hier ein sozialer Ausgleich, so dass sich nur bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen durch die Gaspreisbremse erhöhen soll.
• Die EU-Verordnung zur Einführung eines Energiekrisenbeitrags wird ebenfalls mit dem Jahressteuergesetz umgesetzt. Vorgesehen ist, dass in den Wirtschaftsjahren 2022 und 2023 (bei abweichenden Wirtschaftsjahren in den Jahren 2022/23 und 2023/24) entstandene Gewinne von Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, die im Vergleich zu den Vorjahren (2018 bis 2021) den Durchschnittsgewinn um 20 % übersteigen, besteuert werden. Der Steuersatz soll 33 % betragen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollen zwischen einer und drei Milliarden € betragen und zur Finanzierung der Strompreisbremse beitragen.