Verfahrensrecht: Höhe der Aussetzungszinsen

Der Zinssatz von 0,5 % pro Monat bei Aussetzungszinsen begegnet – anders als bei Nachzahlungszinsen – keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (FG Münster, Urteil v. 08.03.2023 – 6 K 2094/22 E sowie FG Münster, Beschluss v. 10.02.2023 – 3 V 2464/22, ADV-Verfahren).

Musterfeststellungsklage: Zinsanpassung für Sparverträge

Oberlandesgericht Dresden, 5-MK-1/22
Pressemitteilung vom 22.03.2023

Pressetext:
Der 5. Senat des Oberlandesgerichts hat am 22.03.2023 das Urteil im Musterfeststellungsverfahren der Verbraucherzentrale Sachsen e.V. gegen die Ostsächsische Sparkasse verkündet. Danach ist die Sparkasse verpflichtet, die Zinsanpassung für Sparverträge, die nicht über eine wirksame Regelung zur Anpassung des variablen Zinses verfügen, auf der Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8- bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen.

In dem Musterfeststellungsverfahren ging es um die Frage, wie variable Zinsreihen in Prämiensparverträgen für den Verbraucher transparent angepasst werden. Vertragliche Regelungen, die allein auf Aushänge in den Kassenräumen verweisen, sind nicht wirksam. Die Verbraucherzentrale hat die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Zinsberechnung bei formularmäßigen Prämiensparverträgen der Ostsächsischen Sparkasse begehrt, die diese bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen ab dem Jahr 1993 bis Juni 2010 angeboten hatten.

Zinsberechnung muss sich an Zinsreihe für Bundeswertpapiere orientieren
Das Oberlandesgericht hat im Wege ergänzender Vertragsauslegung festgestellt, dass die Zinsberechnung auf der Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank der »Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Börsennotierte Bundeswertpapiere/ RLZ von über 8 bis 15 Jahren/Monatswerte« (derzeitige Kennung BBSIS.M.I.UMR.RD. EUR.S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z.A., vormals WU 9554) vorzunehmen sei. Die Vornahme dieser Zinsanpassung habe unter Wahrung des relativen Abstandes zwischen dem im jeweiligen Vertrag bezifferten Zinssatz und dem Referenzzinssatz monatlich zu erfolgen.

Verbraucheransprüche entstehen mit Beendigung des Prämiensparvertrags
Der vertragliche Anspruch von Verbrauchern hinsichtlich des Guthabens und der Zinsen aus den streitgegenständlichen Prämiensparverträgen entstehe frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des jeweiligen Sparvertrages, so das Oberlandesgericht weiter.

Gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof statthaft.

Die Entscheidung wird im Volltext im öffentlichen Klageregister für Musterfeststellungsklagen beim Bundesamt für Justiz veröffentlicht.

Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen

Leitsatz:
Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 01.10.2020 – 2 K 11/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Deutschlandticket kommt

Grünes Licht für das so genannte Deutschlandticket: Am 31. März 2023 stimmte auch der Bundesrat der Einführung des bundesweiten Tickets im Nahverkehr zu, die der Bundestag einige Tage zuvor beschlossen hatte. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet.
Für 49 Euro im ganzen Land
Das Deutschlandticket gilt ab 1. Mai 2023 zum Einführungspreis von 49 Euro im monatlichen kündbaren digitalen Abonnement. Ziel ist es, die Attraktivität des Regionalverkehrs zu steigern, einen Anreiz zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu schaffen, Energie zu sparen -und Bürgerinnen und Bürger finanziell zu entlasten, heißt es in der Gesetzes-begründung.
Beteiligung des Bundes an Mehrkosten
Im aktuellen Jahr trägt der Bund die Hälfte der Mehrkosten, die den Ländern durch das neue Ticket entstehen. Bis 2025 beteiligt sich der Bund mit 1,5 Milliarden Euro jährlich an dem Vorhaben.
Um die Finanzierung des 49-Euro-Tickets über 2025 hinaus dauerhaft zu sichern, ist für 2025 ein neues Gesetzgebungsverfahren geplant -dann auf Grundlage einer Auswertung der verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen.
Begrenzung der Infrastrukturkosten
Das Gesetz legt außerdem fest, dass die Erhöhung der so genannten Trassen- und Stationsentgelte im Schienenpersonennahverkehr, die von den bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhoben werden, für die Jahre 2023 bis 2025 bei 1,8 Prozent liegt.
Länder fordern dauerhafte Finanzierung
In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat auf die Notwendigkeit hin, die Finanzierung dauerhaft zu sichern. Der Bund müsse auch in den Jahren 2024 und 2025 einen mindestens hälftigen Nachschuss leisten, sofern die tatsächlichen Kosten des Deutschlandtickets höher ausfallen als vom Bund angenommen. Angesichts der Klimaschutzziele im Bereich Verkehr sei der Ausbau des Angebots zwingend -auch hieran müsse sich der Bund durch Aufstockung der Regionalisierungsmittel beteiligen.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit den Forderungen des Bundesrates befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.

Berechnungsfehler beim Zinslauf

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 13.12.2022 (VIII R 16/19) seine Grundsätze zur Korrektur von Zinsberechnungen weiter konkretisiert.

Sachverhalt

Nach einer Außenprüfung setzte das Finanzamt (FA) beim Kläger nachträglich Steuern, u.a. wegen der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags, fest. Die dabei anfallenden Nachzahlungszinsen berechnete das FA mit Wirkung ab 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs, für welches die Änderung vorgenommen worden war. Der Kläger war der Ansicht, dass die Aufhebung des Investitionsabzugsbetrags ein rückwirkendes Ereignis darstelle und die Zinsen erst mit Wirkung ab 15 Monaten nach der Aufhebung festgesetzt werden dürften. Das Finanzgericht folgte dem FA, auch der BFH bestätigte das.

Entscheidung im Besprechungsfall

Grundsätzlich sind Unterschiedsbeträge bei der festgesetzten Einkommensteuer zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, und endet mit Ablauf des Tags, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist. Diese Ausnahme sieht der BFH vorliegend aber nicht als einschlägig an. Die Ausnahme verlangt zwar die Anpassung eines bestehenden Zinsbescheids an eine geänderte Steuerfestsetzung, sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen und ermöglicht es nicht, einen (vermeintlich) unzutreffenden Zinslauf zu korrigieren, der der Berechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt.

Dabei kann bei der Neufestsetzung der Zinsen aufgrund der Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 AO ein gem. § 233a Abs. 2a AO geänderter Zinslauf aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses nicht berücksichtigt werden. § 233a Abs. 5 AO eröffnet nur die Möglichkeit zur Korrektur früherer Fehler, die die Höhe der festgesetzten Steuer als Bemessungsgrundlage der Zinsberechnung betreffen. Werden in einem Einkommensteueränderungsbescheid Mehr- oder Mindersteuern festgesetzt, ohne dass zugleich in einem geänderten Zinsbescheid die erforderlichen zinsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden, dürfen Mehr- oder Minderzinsen, deren Festsetzung bislang versäumt wurde, bei einer späteren Änderung der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen der neuen Zinsfestsetzung nachträglich erfasst werden.

Bei der Zinsfestsetzung in einem Änderungsbescheid können ferner im Rahmen der gem. § 233a Abs. 5 AO angeordneten Hinzurechnung der „festzusetzenden Zinsen“ Zinsbeträge, die unbeschadet ihrer tatsächlichen Festsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften hätten festgesetzt werden müssen, nachträglich berücksichtigt werden. Berechnungsfehler, die ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs der Anpassungspflicht und können nur auf der Grundlage der auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Änderungsvorschriften in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden. Die Voraussetzungen dieser allgemeinen Korrekturnormen sind aber nach Ansicht des BFH hier nicht erfüllt, so dass er die Klage abwies.

Bewertung: Anwendung der Bewertungsregelungen

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben zur Anwendung der Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes, insbesondere zur Bewertung des Grundvermögens im Ertrags- und Sachwertverfahren sowie zur Bewertung der Sonderfälle Stellung genommen (Gleich lautende Erlasse v. 20.03.2023 – FM3-S 3010-6/9).
Hintergrund: Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurden die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes, insbesondere zur Bewertung des Grundvermögens im Ertrags- und Sachwertverfahren sowie zur Bewertung der Sonderfälle, an die Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV vom 14.7.2021, BGBl I, Seite 2805, für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 angepasst.
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit den gleich lautenden Erlassen infolge der Änderungen in §§ 177, 181, 183, 184, 185, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 195 BewG sowie in den Anlagen 21 bis 25 BewG aktualisierte Regelungen erlassen.

Ab Herbst: Digitale Kfz-Zulassung

Am 31. März 2023 stimmte der Bundesrat einer Verordnung der Bundesregierung zu, die das Verfahren zur Kfz-Zulassung digitalisiert und beschleunigt. Seine Zustimmung knüpfte der Bundesrat an -überwiegend redaktionelle -Änderungen. Setzt die Bundesregierung diese um, kann sie die Verordnung veröffentlichen und wie geplant am 1. September 2023 in Kraft treten lassen.
Antrag online -Plaketten per Post
Der Gang zur Zulassungsstelle wäre damit künftig überflüssig, Kfz-Halterinnen und Halter können alles Notwendige online beantragen. Die entsprechenden Stempelplaketten für die Nummernschilder erfolgen anschließend per Postversand. In der Zwischenzeit -bis zu 10 Tage -reicht der digitale Bescheid als Nachweis aus. Auch Autohäuser und professionelle Zulassungsdienste können die digitalen Services nutzen.
Neuerlass der Fahrzeug-Zulassungsverordnung
Der geplante komplette Neuerlass der bisherigen Fahrzeug-Zulassungsverordnung setzt zudem verschiedene Beschlüsse auf Bund-Länder-Ebene um und passt das geltende Recht an europäische Vorschriften und Begrifflichkeiten an. Dies betrifft auch die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr, zum Beispiel für Tages-Zulassung, Wiederzulassung, das Umschreiben oder Stilllegen von Fahrzeugen.
Missbrauchsgefahr
In einer begleitenden Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung um Prüfung, wie missbräuchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Online-Zulassung verhindert bzw. abgeschwächt werden kann. Die Länder weisen auf das Risiko hin, dass Plaketten beim Postversand entwendet und bestimmungswidrig verwendet werden oder vermehrt Fahrzeuge mit ungestempelten Kennzeichen am Verkehr teilnehmen könnten.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit der Prüfbitte befasst. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.

Internationale Währungskurssicherungsgeschäfte

Pressetext:
Der 11. Senat des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 16. November 2022 (Az. 11 K 12212/13) im 2. Rechtsgang über die Einbeziehung von Gewinnen aus internationalen Währungskurssicherungsgeschäften in die nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfreien Veräußerungsgewinne aus Aktien entschieden.
Der Bundesfinanzhof hatte zuvor mit Urteil vom 10. April 2019 (Az. I R 20/16) geurteilt, dass bei der Bemessung des nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfreien Veräußerungsgewinns aus einem in Fremdwährung abgewickelten Anteilsverkauf auch der Ertrag aus einem Devisentermingeschäft als Bestandteil des Veräußerungspreises i. S. des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG gewinnerhöhend zu berücksichtigen sei, wenn der Zweck des Devisentermingeschäfts aus Sicht des Anteilsveräußerers ausschließlich auf die Minimierung des Währungskursrisikos in Bezug auf die konkret erwarteten Veräußerungserlöse ausgerichtet und deshalb hierdurch veranlasst gewesen ist.

Grundsteuererklärungen weiterhin notwendig

Zwei Monate nach Ablauf der Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärungen fehlen noch etwa 15 % der in Mecklenburg-Vorpommern einzureichenden Erklärungen. Bislang wurden mehr als 600.000 Erklärungen abgegeben, davon etwa 15 % in Papierform. Dies geht aus einer aktuellen Meldung des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern hervor.

Hierzu führt das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern u.a. weiter aus:

  • Die Finanzämter des Landes werden im Mai damit beginnen, Erinnerungsschreiben an jene Steuerpflichtige zu versenden, die trotz Fristablauf noch keine Erklärung eingereicht haben.
  • Eine weitere Fristverlängerung wird mit dem Erinnerungsschreiben nicht gewährt.
  • Die Erinnerungsschreiben werden neben dem Aktenzeichen zum Grundstück und Informationen zur Abgabeverpflichtung auch Hinweise bezüglich möglicher Folgen bei Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Erklärung, wie die Festsetzung eines Verspätungszuschlages oder die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, enthalten.

Hinweis:

Alle Kontaktmöglichkeiten sowie weitere Informationen zur Grundsteuer sind im Steuerportal Mecklenburg-Vorpommern unter www.steuerportal-mv.de zu finden. Hier sind auch Erläuterungen zum Grundsteuerwertbescheid einsehbar.

Betriebsausgabenpauschale für Tagesmütter

Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat macht auf die Anhebung der Betriebsausgabenpauschale für Kindertagesmütter ab 2023 aufmerksam. Danach haben sich Bund und Länder auf Verwaltungsebene darauf geeinigt, die Betriebsausgabenpauschale für selbständige Tagesmütter um ein Drittel von 300 € auf 400 € je Kind und Monat anzuheben.

Hierzu führt das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat u.a. weiter aus:

  • Bund und Ländern ist es gelungen, die Betriebsausgabenpauschale für selbständige Tagesmütter um ein Drittel auf 400 € je Kind und Monat anzuheben. Die Anhebung trägt nicht nur zur unbürokratischen Anerkennung des mit der Betreuung von Kindern verbundenen Aufwands bei, sondern insbesondere auch dazu, diesen Beruf attraktiv zu halten.
  • Bund und Länder haben sich auf Verwaltungsebene auf eine entsprechende Anhebung der Betriebsausgabenpauschale geeinigt. Nach der angepassten Verwaltungsregelung können selbständig tätige Kindertagespflegepersonen ab dem Jahr 2023 anstelle des tatsächlichen Aufwands eine monatliche Pauschale von 400 € für jedes betreute Kind als Betriebsausgabe geltend machen.
  • Parallel zur Anhebung der Betriebsausgabenpauschalen für Kindertagespflegepersonen wurden auch die Betriebsausgabenpauschalen für Schriftsteller und Journalisten sowie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Nebentätigkeiten angehoben.