Leistungen von Verfahrensbeiständen

Das BMF hat zur Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von Verfahrensbeiständen Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 28.04.2023 – III C 3 – S 7183/19/10003 :002).

Hintergrund: Durch Artikel 12 Nr. 2 Buchstabe d Doppelbuchstabe bb des JStG 2020 wurde zum 01.01.2021 in § 4 Nummer 25 Satz 3 UStG ein neuer Buchstabe d angefügt. Mit der Ergänzung werden nunmehr Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt wurden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt.

Der Gesetzgeber folgte mit der Gesetzesänderung den Grundsätzen des BFH in seinem Urteil v. 17.07.2019 – V R 27/17, BStBl II 2023 S. xxx, wonach an der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen auf Grund der hier vorliegenden besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Ein gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand kann sich demnach auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL berufen.

Dem BMF zufolge wird Abschnitt 4.25.2 UStAE wie folgt geändert:

  • Nach Absatz 8 wird folgende Zwischenüberschrift eingefügt: „Leistungen von Verfahrensbeiständen “
  • Absatz 9 wird wie folgt gefasst: „Nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchstabe d UStG sind die von Verfahrensbeiständen erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.2019 – V R 27/17, BStBl II 2023 S. xxx). Unter die Steuerbefreiung fallen sowohl die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen erbrachten Beistandsleistungen als auch die Leistungen von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.“

Hinweise:

Die Grundsätze des Schreibens auf Grundlage der Änderung in § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchstabe d UStG in der Fassung des JStG 2020 sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden.

Die Grundsätze des BFH-Urteils v. 17.07.2019 – V R 27/17 sind in allen offenen Fällen für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 erbracht wurden. Für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 erbracht wurden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Grundsätzen im BFH-Urteil vom 17.07.2019 – V R 27/17 als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat.

Rentenbesteuerung: Neues Verfahren vor dem BVerfG

Der BFH weist auf ein neues anhängiges Verfahren beim BVerfG hin, das für die Rechtsprechung des BFH sowie hinsichtlich der Regelung des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bedeutsam sein kann.

Bei dem Verfahren handelt es sich um die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BFH zum Jahr des Rentenbeginns bei aufgeschobener Altersrente, BFH, Urteil v. 31.08.2022 – X R 29/20.

Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 2212/22 anhängig.

Vergütungsanspruch einer Hochzeits-Fotografin während der Corona-Pandemie

Der BGH hat u.a. über eine Klage auf Rückgewähr einer an eine Hochzeits-Fotografin geleisteten Anzahlung während der Corona-Pandemie entschieden (BGH, Urteil v. 27.04.2023 – VII ZR 144/22).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Kläger beabsichtigten, am 01.08.2020 kirchlich zu heiraten. Nachdem der Fotograf, der die standesamtliche Trauung begleitet hatte, zu diesem Termin verhindert war, wandten sich die Kläger an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28.10.2019 bedankte sich die Beklagte für „die Beauftragung“ und stellte für „Reportage Hochzeit 01.08.2020 (1. Teilbetrag)“ 1.231,70 € von der insgesamt vereinbarten Vergütung in Höhe von 2.463,70 € in Rechnung. Die Kläger überwiesen den geforderten „1. Teilbetrag“.

Die Kläger beabsichtigten, zu ihrer kirchlichen Hochzeit 104 Gäste einzuladen. Die Durchführung der Hochzeit war aufgrund von Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie nicht möglich. Die Kläger planten deshalb neu eine Hochzeitsfeier für den 31.07.2021 und teilten der Beklagten mit E-Mail vom 15.06.2020 mit, für den neuen Termin den Fotografen beauftragen zu wollen, der am 01.08.2020 verhindert gewesen sei. Daraufhin forderte die Beklagte ein weiteres Honorar von 551,45 €, was die Kläger ablehnten. Diese verlangten vielmehr die Rückzahlung der bereits überwiesenen 1.231,70 € und erklärten wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage den „Rücktritt von dem vorstehend bezeichneten Vertrag bzw. dessen Kündigung“.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.231,70 € und zusätzlicher 309,40 € für außergerichtliche Kosten sowie die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 551,45 € an die Beklagte zu zahlen. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Erbschaftsteuer: Erbfallkostenpauschale

Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfall­kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Anspruch nehmen. Der Abzug des Pausch­betrags setzt nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind (Änderung der Rechtsprechung) (BFH, Urteil v. 01.02.2023 – II R 3/20; veröffentlicht am 04.05.2023).

Schenkungsteuer: Geleistete Anzahlungen

Geleistete Anzahlungen sind jedenfalls dann keine „anderen Forderungen“ i. S. von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F., wenn sie nicht für den Erwerb von Verwal­tungs­vermögen geleistet wurden (BFH, Urteil v. 01.02.2023 – II R 36/20; veröffent­licht am 04.05.2023).

StromsteuerG: Verwendung von Biogas

Strom, der mit einem aus dem öffentlichen Versorgungsnetz entnommenen Gasgemisch erzeugt wird, das neben Erdgas auch aus Biomasse erzeugtes Gas enthält, ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG von der Steuer befreit, weil Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 2 Nr. 7 StromStG nur dann vorliegt, wenn er ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird (BFH, Beschluss v. 17.01.2023 – VII R 54/20; veröffentlicht am 04.05.2023).

Hintergrund: Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird. Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist gemäß § 2 Nr. 7 StromStG „Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird, ausgenommen Strom aus Wasserkraftwerken mit einer installierten Generatorleistung über zehn Megawatt“.

Mietrecht: Übergang von Rückzahlungsansprüchen bei Sozialleistungsbezug

Das Landgericht Berlin hat einer Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Köpenick stattgegeben und die Klage eines Mieters gegen seine Vermieterin auf Rückzahlung von teilweise grundlos gezahlter Miete abgewiesen, da dieser Anspruch zur Überzeugung des Landgerichts jedenfalls nicht dem Mieter zusteht (Landgericht Berlin, Urteil v. 19.04.2023 – 64 S 190/21).

Globale effektive Mindestbesteuerung in Deutschland

Das Bundesministerium der Finanzen hat einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) veröffentlicht. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am 15. Dezember 2022 auf die Richtlinie (EU) 2022/2523 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie (MinBestRL)) geeinigt. Der vorliegende Diskussionsentwurf dient der Umsetzung dieser Richtlinie. Mit der nationalen Umsetzung der MinBestRL implementiert Deutschland zentrale Elemente der internationalen Vereinbarungen zur Säule 2 der sog. G20/OECD Zwei-Säulen-Lösung. Die darin enthaltenen Nachversteuerungsregelungen stellen eine globale effektive Mindestbesteuerung sicher, wirken schädlichem Steuerwettbewerb und aggressiven Steuergestaltungen entgegen und tragen damit zur Förderung der Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit bei. Es bestand die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Maklerrecht: Reservierungsgebühren in den AGB

Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr ist unwirksam (BGH, Urteil v. 20.04.2023 – I ZR 113/22).

Sachverhalt: Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag und im Nachgang dazu einen Reservierungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Reservierungsvertrag sei wirksam. Er stelle eine eigenständige Vereinbarung mit nicht nach den §§ 307 ff. BGB kontrollfähigen Hauptleistungspflichten dar.

Der BGH dagegen hat die Beklagte zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt:

  • Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt.
  • Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.
  • Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist.
  • Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat.

Klagen zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht eingegangen

Im März 2023 sind insgesamt vier Klagen zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht beim FG Rheinland-Pfalz eingegangen. Gerügt wird u.a. die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelungen.
Die Klagen haben die Aktenzeichen 4 K 1189/23, 4 K 1190/23, 4 K 1217/23 und 4 K 1205/23. Bei der zuletzt genannten Klage (4 K 1205/23) handelt es sich um eine sog. Sprungklage, d.h. eine Klage, die ohne das erforderliche Vorverfahren beim Finanzamt erhoben wurde und die daher nur mit Zustimmung des Finanzamtes zulässig ist. Ob diese Zustimmung erteilt wird, ist aktuell noch offen.
Das Gericht beabsichtigt, die Verfahren mit Rücksicht auf ihre Breitenwirkung vorrangig zu bearbeiten.