Kindergeld: Lebensbedarf eines Kindes mit Behinderung

Bezieht ein volljähriges Kind mit Behinderung eine Rente, die durch Vermögensumschichtung begründet wurde, so sind die den Ertragsanteil übersteigenden Teile der Rentenzahlungen nicht als Bezug zu berücksichtigen (BFH, Urteil v. 16.02.2023 – III R 23/22; veröffentlicht am 11.05.2023).

Hintergrund: Kindergeld wird einem Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann.

Steuersatz für Werbemittel aus dem Food-Bereich

Im Rahmen der zollrecht­lichen Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Anlage 2 zum UStG ist der Verwen­dungs­zweck nur dann von Bedeutung, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigen­schaften innewohnt, wobei übliche Verpackungen außer Betracht bleiben. Zur Verneinung der Steuer­satz­ermäßigung reicht es daher nicht aus, dass sog. Werbelebens­mittel unab­hängig hiervon zu Werbe­zwecken geliefert werden (BFH, Urteil v. 23.02.2023 – V R 38/21; veröffent­licht am 11.05.2023).

Gewerbesteuer: Leistungen im Rahmen eines Sponsoringvertrags

Unter den Begriff der Mietzinsen und Pachtzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG fallen nur Leistungen aufgrund solcher Verträge, die ihrem wesent­lichen Gehalt nach Miet- oder Pacht­verträge sind. Enthält der Vertrag neben der entgeltlichen Gebrauchs­überlassung wesent­liche nicht trennbare miet- oder pacht­fremde Elemente, die ihn einem anderen Vertragstyp zuordnen oder zu einer Einordnung als Vertrag eigener Art führen, scheidet eine gewerbe­steuer­recht­liche Hinzu­rechnung der Entgelte insgesamt aus (BFH, Urteil v. 23.03.2023 – III R 5/22; veröffent­licht am 11.05.2023). Hintergrund: Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG in der für den Erhebungs­zeitraum 2015 geltenden Fassung werden zur Ermittlung des Gewerbe­ertrags (§ 7 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbe­betrieb hinzu­gerechnet ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlage­vermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbe­weglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe der Beträge i.S. von § 8 Nr. 1 Buchst. a bis f GewStG 100.000 € übersteigt.

Kindergeld: Leistungsklage des Jobcenters gegen die Familienkasse

Erstattungsansprüche des Jobcenters nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. §§ 102 bis 105 SGB X sind mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, da zwischen den Leistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht (BFH, Urteil v. 19.01.2023 – III R 36/21; veröffentlicht am 11.05.2023).

Sachverhalt: Die beklagte Familienkasse wendet sich gegen ein Urteil, wonach sie dem klagenden Jobcenter gemäß § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X einen Teil der von diesem in der Zeit von Juni bis Oktober 2017 nach dem SGB II an die Beigeladene (Kind) gezahlten Leistungen erstatten muss.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Erstattungsansprüche des Jobcenters nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. §§ 102 bis 105 SGB X sind mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, da zwischen den Leistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht.
  • Für die Monate, in denen die Familienkasse rechtzeitig geleistet hat, scheidet ein Erstattungsanspruch des Jobcenters aus (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, BFH, Urteil v. 02.06.2022 – III R 9/21, BStBl II 2022, 840).
  • Ein Erstattungsanspruch ist außerdem ausgeschlossen, wenn die Familienkasse selbst geleistet hat, bevor sie von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt hat (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, BFH, Urteil v. 02.06.2022 III R 9/21, BFHE 277, 294, BStBl II 2022, 840).
  • Im Fall des § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X hat die Familienkasse von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt, sobald eine entsprechende Mitteilung unter der eigens für Erstattungsanträge eingerichteten Funktionsadresse der Familienkasse eingegangen ist.
  • Organisatorische Entscheidungen der Familienkasse, die dazu führen, dass dem für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergelds zuständigen Sachbearbeiter eine in den Geschäftsbereich gelangte Information nicht bekannt wird, rechtfertigen es nicht, diese im Verhältnis zu Dritten als unbekannt zu werten.

Neue Arbeitgeberpflichten durch PUEG

Der Gesetzgeber plant derzeit deutliche Anpassung in der gesetzlichen Versicherung – unter anderem werden neue Arbeitgeberpflichten durch das PUEG kommen! (PUEG = Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz).

Ziele des Gesetzgebers

Zuerst sollen die häusliche Pflege gestärkt und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen sowie anderen Pflegepersonen entlastet werden. Darüber hinaus sollen die Arbeitsbedingungen für professionell Pflegende weiter verbessert sowie die Potentiale der Digitalisierung für Pflegebedürftige und für Pflegende noch besser nutzbar gemacht werden. Es soll eine automatische, regelhafte Anpassung der Geld- und Sachleistungsbeträge in 2025 und 2028 geben. Darüber hinaus sollen Innovationen gefördert und mehr Unterstützung insbesondere für häuslich gepflegte Menschen bereitgestellt werden, um die Inanspruchnahme vor Ort verfügbarer Angebote zu vereinfachen.

Was aber wird für Arbeitgeber durch das PUEG wichtig?

Der für Arbeitgeber wichtigste Aspekt wird sicher sein, dass auf sie neue Arbeitgeberpflichten durch das PUEG zukommen. Konkret muss der Gesetzgeber die BVerfG-Urteile vom 7. April 2022 zu den Aktenzeichen 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16 und 1 BvR 2824/17 umgesetzt werden.

Danach ist der Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Juli 2023 das Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern verfassungskonform auszugestalten.

Beitragsrechtliche Änderungen in der Pflegeversicherung durch das PUEG

  1. Der bundeseinheitliche Beitragssatz von derzeit 3,05 % auf 3,4 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten angehoben werden.
  2. Zudem soll der Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte von derzeit 0,35 % auf 0,6 % erhöht werden; der Beitragssatz läge dann für kinderlose Versicherte bei 4,0 %.
  3. Für Versicherte mit zwei oder mehr Kindern soll dagegen eine nach der Kinderanzahl gestaffelte Reduktion des Beitragssatzes eingeführt werden.
  4. Bei Versicherten mit fünf oder mehr Kindern läge der Beitragssatz damit künftig niedriger als der aktuelle Wert.

Hier müssen Lohnabrechner dringend das laufende Gesetzesvorhaben abwarten – da an diesen Stellschrauben noch konkret gearbeitet wird.

Wie sollen Arbeitgeber/Lohnabrechner das prüfen?

Bisher

Damit Arbeitnehmer, die das 23. Lebensjahr bereits vollendet haben, den PV-Zuschlag nicht zahlen müssen, muss deren Elterneigenschaft nachgewiesen sein. Dazu reicht bislang in den meisten Fällen der normale Abruf der ELSTAM-Daten. Wird hier mindestens ½ Kinderfreibetrag gemeldet, ist das derzeit als Nachweis der Elterneigenschaft ausreichend.

Problem: Künftig abgestufter PV-Zuschlag

Es wird sicher eine Anpassung der Beitragsverfahrensverordnung u.a. bei der Berechnung der Pflegeversicherungsbeitrages (bspw. § 2 Abs. 1 Satz 4 BVV) und evtl. muss § 8 Abs. 2 Nr. 11 (Nachweis der Kinder) in diesem Zusammenhang kommen müssen.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer ist 30 Jahre alt und über ELSTAM wird als Kinderfreibetrag 2,0 geliefert.

Frage:

Hat der Arbeitnehmer nun 2 oder 4 Kinder?

Bis dato ist das irrelevant – künftig hängt jedoch von der Zahl der Kinder ab, wie hoch der PV-Zuschlag ausfällt.

Fazit zum PUEG:

Künftig werden Arbeitgeber aufgrund des gestaffelten Kinderfreibetrages genau in Erfahrung bringen müssen, wie oft die Mitarbeiter nun Mutter bzw. Vater sind – und wann diese Kinder ihren 25. Geburtstag haben (da sie dann als Zählkinder wieder entfallen).

Arbeitnehmerstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram

Das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kann nur von einem Verein in Anspruch genommen werden, der ein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufweist. Andernfalls ist es ihm verwehrt, mit seinen Mitgliedern zu vereinbaren, außerhalb eines Arbeitsverhältnisses fremdbestimmte, weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu leisten, sofern diese nicht ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind (BAG, Urteil v. 25.04.2023 – 9 AZR 253/22).

Leistungen von Verfahrensbeiständen

Das BMF hat zur Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen von Verfahrensbeiständen Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 28.04.2023 – III C 3 – S 7183/19/10003 :002).

Hintergrund: Durch Artikel 12 Nr. 2 Buchstabe d Doppelbuchstabe bb des JStG 2020 wurde zum 01.01.2021 in § 4 Nummer 25 Satz 3 UStG ein neuer Buchstabe d angefügt. Mit der Ergänzung werden nunmehr Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt wurden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt.

Der Gesetzgeber folgte mit der Gesetzesänderung den Grundsätzen des BFH in seinem Urteil v. 17.07.2019 – V R 27/17, BStBl II 2023 S. xxx, wonach an der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen auf Grund der hier vorliegenden besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Ein gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand kann sich demnach auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL berufen.

Dem BMF zufolge wird Abschnitt 4.25.2 UStAE wie folgt geändert:

  • Nach Absatz 8 wird folgende Zwischenüberschrift eingefügt: „Leistungen von Verfahrensbeiständen “
  • Absatz 9 wird wie folgt gefasst: „Nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchstabe d UStG sind die von Verfahrensbeiständen erbrachten Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.2019 – V R 27/17, BStBl II 2023 S. xxx). Unter die Steuerbefreiung fallen sowohl die von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen erbrachten Beistandsleistungen als auch die Leistungen von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.“

Hinweise:

Die Grundsätze des Schreibens auf Grundlage der Änderung in § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchstabe d UStG in der Fassung des JStG 2020 sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden.

Die Grundsätze des BFH-Urteils v. 17.07.2019 – V R 27/17 sind in allen offenen Fällen für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31.12.2020 erbracht wurden. Für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 erbracht wurden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Grundsätzen im BFH-Urteil vom 17.07.2019 – V R 27/17 als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat.

Rentenbesteuerung: Neues Verfahren vor dem BVerfG

Der BFH weist auf ein neues anhängiges Verfahren beim BVerfG hin, das für die Rechtsprechung des BFH sowie hinsichtlich der Regelung des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bedeutsam sein kann.

Bei dem Verfahren handelt es sich um die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BFH zum Jahr des Rentenbeginns bei aufgeschobener Altersrente, BFH, Urteil v. 31.08.2022 – X R 29/20.

Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 2212/22 anhängig.

Vergütungsanspruch einer Hochzeits-Fotografin während der Corona-Pandemie

Der BGH hat u.a. über eine Klage auf Rückgewähr einer an eine Hochzeits-Fotografin geleisteten Anzahlung während der Corona-Pandemie entschieden (BGH, Urteil v. 27.04.2023 – VII ZR 144/22).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Kläger beabsichtigten, am 01.08.2020 kirchlich zu heiraten. Nachdem der Fotograf, der die standesamtliche Trauung begleitet hatte, zu diesem Termin verhindert war, wandten sich die Kläger an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28.10.2019 bedankte sich die Beklagte für „die Beauftragung“ und stellte für „Reportage Hochzeit 01.08.2020 (1. Teilbetrag)“ 1.231,70 € von der insgesamt vereinbarten Vergütung in Höhe von 2.463,70 € in Rechnung. Die Kläger überwiesen den geforderten „1. Teilbetrag“.

Die Kläger beabsichtigten, zu ihrer kirchlichen Hochzeit 104 Gäste einzuladen. Die Durchführung der Hochzeit war aufgrund von Beschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie nicht möglich. Die Kläger planten deshalb neu eine Hochzeitsfeier für den 31.07.2021 und teilten der Beklagten mit E-Mail vom 15.06.2020 mit, für den neuen Termin den Fotografen beauftragen zu wollen, der am 01.08.2020 verhindert gewesen sei. Daraufhin forderte die Beklagte ein weiteres Honorar von 551,45 €, was die Kläger ablehnten. Diese verlangten vielmehr die Rückzahlung der bereits überwiesenen 1.231,70 € und erklärten wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage den „Rücktritt von dem vorstehend bezeichneten Vertrag bzw. dessen Kündigung“.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.231,70 € und zusätzlicher 309,40 € für außergerichtliche Kosten sowie die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 551,45 € an die Beklagte zu zahlen. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Erbschaftsteuer: Erbfallkostenpauschale

Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfall­kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Anspruch nehmen. Der Abzug des Pausch­betrags setzt nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind (Änderung der Rechtsprechung) (BFH, Urteil v. 01.02.2023 – II R 3/20; veröffentlicht am 04.05.2023).