Kindergeld: Taggenaue Betrachtung

Der „Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums“ im Sinne des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG ist taggenau zu ermitteln, sodass eine Kindergeldberechtigung für alle vier Monate, die in den dreimonatigen Zeitraum des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004(sog. FreizügigkeitsRL) fallen, besteht (FG Münster, Urteil v. 22.5.2024 – 8 K 2918/22 Kg; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Die Klägerin und ihre Tochter sind bulgarische Staatsangehörige, die am 20.1.2022in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 FreizügG/EU erfüllte die Klägerin unstreitig nicht.

Die Familienkasse setzte gegenüber der Klägerin Kindergeld für die Monate Januar bis März 2022 fest, lehnte jedoch eine Kindergeldfestsetzung für den Monat April 2022 ab. Aus der Weisung des BZSt v. 28.9.2022 zum Ausschluss der Kindergeldzahlungen nach § 62 Abs. 1a EStG nach dem Urteil des EuGH v. 1.8.2022 – C-411/20 folge, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG (nur) in den ersten drei Kalendermonaten nach Begründung des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bestehe. Die Weisung impliziere eine kalendermonatsbezogene Betrachtung; eine tagbezogene Betrachtung des Zeitraums sei nicht möglich.