Hinzurechnung des Kirchensteuererstattungsüberhangs

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 29.06.2022 (X R 1/20) seine Grundsätze zur Hinzurechnung von Kirchensteuerüberhängen konkretisiert.
Sachverhalt und Urteil im Besprechungsfall
Der Kläger K war Gesellschafter der A-GmbH. Nachdem er zunächst seine Geschäftsanteile auf die GmbH übertrug und entsprechend auf den Veräußerungsgewinn Kirchensteuer zahlte, erklärte er zwei Jahre später den Rücktritt vom Kaufvertrag über die Geschäftsanteile. Daraufhin erhielt K die auf den Veräußerungsgewinn gezahlte Kirchensteuer zurück. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags lag, wirkte sich die gezahlte Kirchensteuer im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nicht steuermindernd aus. Demgegenüber konnte die im Folgejahr nachträglich für das Vorjahr gezahlte Kirchensteuer in voller Höhe als Sonderausgabe berücksichtigt werden.
Im Streitjahr (dem Jahr der Erstattung der Kirchensteuer) leistete K keine Kirchensteuerzahlung. Daher erfasste das Finanzamt die Kirchensteuererstattung als Erstattungsüberhang und rechnete sie dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzu. Einspruch und Klage gegen diese Hinzurechnung blieben erfolglos. Auch der BFH folgte dem.
Begründung im Besprechungsfall
Ein Erstattungsüberhang ist bei seinem Zufluss anzusetzen. Ein solcher Überhang liegt vor, wenn die im Veranlagungszeitraum erstatteten Aufwendungen die geleisteten Aufwendungen übersteigen. Der BFH ist der Auffassung, dass ein Erstattungsüberhang in Bezug auf Kirchensteuer nicht voraussetzt, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum der Kirchensteuererstattung zugleich eine Kirchensteuerzahlung erbracht hat.
Ein Erstattungsüberhang in diesem Sinn kann daher auch vorliegen, wenn im Erstattungsjahr keine Kirchensteuer gezahlt worden ist. Gefordert wird insoweit auch bezüglich gezahlter Kirchensteuer lediglich ein Übersteigen der erstatteten Aufwendungen. K erhielt aufgrund der Zahlungen der Vorjahre Erstattungen, während die im Streitjahr geleisteten Aufwendungen 0 € ausmachten. Ein Verrechnen von gezahlter Kirchensteuer ist nicht Bestandteil der Legaldefinition des Erstattungsüberhangs. Eine gegenteilige Auffassung würde vielmehr zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen: Der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 4b EStG besteht in einer Verfahrensvereinfachung. Bei Erstattungsüberhängen mit Kirchensteuer sollen nicht mehr die Bescheide der zurückliegenden Zahlungsjahre geändert werden, vielmehr sollen die steuerlichen Konsequenzen veranlagungszeitraumübergreifend im Erstattungsjahr durch den Ansatz einer umgekehrten bzw. „negativen“ Sonderausgabe gezogen werden.
Diesem Vereinfachungszweck würde es widersprechen, die Erstattung in den Fällen, in denen die Aufwendungen 0 € betrugen, durch rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung des Abflussjahrs zu erfassen, obwohl bei einer Kirchensteuerzahlung in nur geringfügiger Höhe (im Extremfall von 1 €) der Erstattungsüberhang ohne weiteres dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet werden müsste. Ein Erstattungsüberhang i.S.d. § 10 Abs. 4b EStG kann daher auch vorliegen, wenn im Erstattungsjahr keine Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG gezahlt worden sind.